Kultur

Loriots ganz private Komik

Vor zwei Jahren starb Loriot bzw. Vicco von Bülow, und auf seinen Grabstein in Berlin Charlottenburg stellen Verehrer immer noch kleine Mopsfiguren und Badeenten.

Wie war er privat? Bestimmt war er ein ernster Mensch ... Nein, auch privat war er komisch. Richtig albern sogar. Sah er einen Feuerlöscher, musste er ihn angreifen, und er machte mit dem Mund ein lautes zischendes Geräusch, um alle Anwesenden zu erschrecken. Emails bezeichnete er stets als „Emil“, und der Verhörer „Geben Sie mir Ihre Handgranate“ statt „Geben Sie mir Ihre Hand, Renate“ ging ihm jahrelang nicht aus dem Kopf. Vielleicht musste Vicco von Bülow immer komisch sein, weil er als Wehrmachtsoffizier so viele Tote gesehen hatte und der Humor seine Rettung war.

Morgenhund

Eine Vermutung des deutschen Regisseurs Stefan Lukschy, der vom ersten Fernsehsketch an Loriots Assistent war – und Freund wurde für 36 Jahre. Lukschy erinnert sich im Buch „Der Glückliche schlägt keine Hunde“ (wobei es genauso gut auch „Morgenhund hat Gold im Mund“ heißen könnte); und daraus ergibt sich ein Bild, das man so noch nicht gesehen hat.

Vicco von Bülow hatte einen winzigen Schreib- und Zeichentisch. Aber eine Hi-Fi-Anlage auf dem letzten Stand und überdimensionierte Aktiv-Lautsprecher. Musik bedeutete ihm mehr als das Zeichnen, und seine Liebe zu Richard Wagner ist bekannt. Er mochte aber auch den Swing der 1920er-Jahre und Fred Astaire; er mochte vor allem Tenöre, und da war Beniamino Gigli seine Nummer eins.

Dass Vicco von Bülow seine Gäste davon überzeugen wollte, wie großartig der zu Unrecht als Schnulzensänger abqualifizierte Rudolf Schock in frühen Jahren gewesen war, überrascht. Mit dem Vorurteil aufzuräumen, war ihm Herzensangelegenheit. (Man höre sich auf YouTube Rudolf Schocks „Tosca“ an oder „Die Zauberflöte“!)

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Ein Verwöhner war er. Ein Genießer alter Schule. Großzügig war er. Luxus bedeutete ihm nicht viel, gern aß er beim „kleinen“ Italiener Pizza (es musste allerdings immer eine kalte, rohe Tomate dazu serviert werden). Wenn er in ein feines Restaurant einlud und teuersten Wein bestellte, verkostete er ihn aus Spaß viele Minuten lang, kaute ihn förmlich und täuschte dann einen Hustenanfall vor, sodass jeder gespreizte Kellner erblasste. Er verehrte den Hollywood-Schauspieler Karl Malden und ließ sich dessen fleischige Nase modellieren. Er verehrte Thomas Mann. Er verehrte Danny Kaye. Jerry Lewis mochte er hingegen nicht.

Beim Arbeiten war er ein leiser Tyrann: Er setzte sich durch, aber freundlich. Manchmal auch sehr seltsam klingend: Seine Anweisung „Bitte etwas angelegentlicher“ war berühmt.

Drei Wörter

Als er schon über 80 war, hatte Vicco von Bülow einen ausgesprochen dummen Lieblingswitz. Er war nie ein guter Witzeerzähler, und nun merkte er sich auch noch die drei wesentlichen Wörter schlecht. Sodass er öfter Freund Stefan Lukschy anrief: „Wie geht das ..?“

Der Witz: Gerät man betrunken in eine Polizeikontrolle, muss man sich nur drei Dinge merken: „Eishockey“ „Kanufahren“ und „Wirsing“. Wenn der Beamte einen nach dem Führerschein fragt, kurbelt man das Fenster herunter und lallt „Eishockey“ (Alles okay), „Kanufahren“ (Kann noch fahren) und „Wirsing“ (Wiedersehen“) und steigt aufs Gas.

Info: StefanLukschy: "Der Glücklicheschlägt keine Hunde“. Ein Loriot-Porträt. Aufbau Verlag. 352 Seiten. 20,60 Euro.

KURIER-Wertung:

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Urlaub machte er nicht. Er arbeitete 1.) immer; und – sein Hirn ratterte ständig – weil er Probleme mit dem Einschlafen hatte, arbeitete er 2.) auch nachts. Selbst als im hohen Alter seine Augen krank wurden und er Doppelbilder sah, setzte er sich an den Zeichentisch. Wobei er neben seinen geliebten Möpsen und Nasenmännchen auch Kubistisches ausprobierte und nicht mehr so sehr auf Witz aus war. Diese Zeichnungen nannte er „Nachtschattengewächse“; und „Spätlese“ heißt der Bildband, der sie jetzt präsentiert – sowie anderes bisher Unveröffentlichtes, auch aus den 50er-Jahren, als Cartoons von Zeitschriften abgelehnt wurden – mit der Begründung, sie leuchten nicht so ganz ein.

Info: Stefan Lukschy: "Der Glücklicheschlägt keine Hunde". Ein Loriot-Porträt. Aufbau Verlag. 352 Seiten. 20,60 Euro.

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Das Münchner Literaturhaus stellt den Nachlass Loriots aus.

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