Lojze Wieser: Es gibt keinen "Alois" mehr
Von Peter Pisa
Waren die anderen Burschen beim Fußballspielen im Dorf mit seiner Leistung als Tormann zufrieden, so sagten sie "Alois" zu ihm.
Alois, guter Kärntner, brav hast g’halten.
Aber hat er gepatzt, dann war er der Lojzi, schlechter Slowene.
Was hast denn für einen Dreck g’spielt, Lojzi?
Auch diese Erinnerung gehört dazu, wenn Lojze Wieser – geboren 1954 in Tschachoritsch / Čahorče – nachdenkt, wer er ist ... ein Fremder? Noch immer? Immer und überall?
Er nützt die Gelegenheit und denkt gleich weiter zurück, als es dem Anlass entspricht: Sein Verlag feiert den 30. Geburtstag.
Briefbombe
Gegründet wurde er, um die Literatur auf den blinden Flecken Europas zu entdecken.
400 Sprachen werden auf dem Kontinent gesprochen, rund 200 im Osten und Südosten – wenig bis gar nichts lag in den 1980er-Jahren in deutscher Übersetzung vor.
1400 Bücher aus dem Klagenfurter Wieser Verlag änderten, veränderten so manches. Rund 8000 Texte von 3000 Autorinnen und Autoren brachten etwas slowenische, kroatische, serbische, rumänische, albanische, bulgarische … Kultur nach Österreich.
Es wurde nicht von allen honoriert.
Franz Fuchs schickte 1994 eine Briefbombe, es folgten zwei Bombenattrappen, drei Morddrohung und und der falsche Verdacht, Subventionsgelder betrügerisch kassiert zu haben, es folgte die Insolvenz – und die Sanierung, weil (wie die finanziellen Retter sagten) das Programm Ö1 unter den Verlagen nicht sterben darf.
Verachtungen
Voltaires Satz "Europa kennen, Europa erkennen" bekam den Zusatz:
Europa erlesen.
In der Reihe "Europa erlesen" erschienen bisher 200 Bände, das Jubiläumsbuch "Europa!" versammelt Kostproben um 14,95 Euro.
Lojze Wieser im KURIER-Gespräch:
"In Zeiten des nationalistischen Wahns und der negativen Potenzierung aller Verachtungen, in Zeiten des sich Überbietens vom Verbreiten schlechter, oft bewusst verdrehter Informationen ist es einzig die Literatur, die der medialen und politischen Logik widerspricht. Denn nein, es stimmt eben nicht, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind."
Nie stillstehen
Literatur sei die seelische Investition in die Zukunft. "Sonst gibt es keine Zukunft. Darum braucht es gute Literatur, Übersetzer, Verlage, Lektoren, Risikobereitschaft und Buchhandlungen."
Lojze Wieser sieht sein Lebenswerk als perpetuum mobile. Nie stillstehen soll:
"Lieben. Lesen. Schreiben. Kochen. Essen. Trinken. Reisen."