Kultur

Linkin Park: Frustriert vom Mangel an Einfluss

Ich saß im Auto und wollte etwas Anspornendes, Aggressives hören. Ich hab überall gesucht – in Blogs, im Radio. Aber es gab nichts."

Mike Shinoda, Songwriter und zweiter Frontmann von Linkin Park, sitzt backstage in der Wiener Stadthalle und erinnert sich im KURIER-Interview an jenen Moment, als das jüngste Album der US-Band Form annahm. Denn "The Hunting Party" entstand aus der Frustration, nirgendwo mehr neue, harte Rockmusik hören zu können.

"Ich hatte damals schon einige Demos in einem elektronischen Indie-Alternative-Stil gemacht", erzählt Shinoda. "Doch nach diesem Moment im Auto war mir klar, das ist nicht mehr das, was ich jetzt will."

So ist "The Hunting Party" eine tobende Platte geworden mit brachialen Gitarren aber auch vielen hymnischen Melodien. Die Fans danken es dem Sextett.

16.000 sind in die Stadthalle gekommen, stehen jetzt draußen rund um den halben Block, warten geduldig auf Einlass und singen zur Einstimmung "Final Masquerade", den besten Song von "The Hunting Party".

Auch wenn Shinoda sich mit dem neuen Album musikalisch auf seine Teenager-Vorlieben bezieht, die Texte sind vom Heute geprägt. Zwar distanzieren sich Linkin Park von der Bezeichnung "politische Band", unterschwellig geht es aber in vielen Songs um das soziale und politische Klima.

Grausam

"Man wird mir dem Alter nicht milder", sagt der 37-jährige Multiinstrumentalist. "Aber meine Wut – und somit die Inspiration für die Texte – kommt jetzt, wo ich Vater bin, von Dingen, die ich in den Nachrichten sehe oder in der Zeitung lese. Menschenhandel ist zum Beispiel ein Thema, das mich extrem aufregt. Und der Mangel an Einfluss frustriert mich: Du kannst nicht kontrollieren, was Politiker tun, was grausame Menschen anderen Menschen antun."

Dass Linkin Park trotzdem hauptsächlich unterhalten wollen, beweisen sie auch damit, dass sie ihre Musik immer wieder in Videospiele einbauen. Jüngst haben sie ein sechsminütiges Game rund um ihre Single "Guilty All The Same" kreiert. Aber auch wenn viele das als geschickten Business-Schachzug sehen, dementiert Shinoda, dass damit viel Geld zu machen ist: "So etwas machen wir nur, weil es Spaß macht. Denn das zu entwickeln, dauert Monate. Wir bekommen weit mehr Geld, wenn wir eine Show spielen. Und weit mehr Publicty, wenn wir ein Video drehen."

Auch die Gastmusiker von "The Hunting Party" – mit Daron Malakian von System Of A Down und Tom Morello von Rage Against The Machine zwei politisch engagierte Musiker – sagt Shinoda, seien kein Hinweis auf die Ausrichtung von Linkin Park.

Respekt zeigen

"Ich habe sie aus musikalischen Gründen ausgesucht. Wir haben nie über Politisches gesprochen, das hat sich nicht ergeben. Aber gefreut hat mich, dass Daron sagte, er habe viel davon lernen können, wie Linkin Park im Studio zusammenarbeiten. Wie wir einander respektieren und diesen Respekt auch zeigen. Jeder weiß, wie angespannt die persönliche Situation bei System Of A Down ist. Wenn ich als Fan der Band dazu beitragen kann, dass sie wieder zusammenfindet und weiter großartige Musik macht – wow, das wäre fantastisch!"

Laut ist es schon. Gerade haben Linkin Park ihre Show in der Wiener Stadthalle mit "Gulity All The Same" begonnen: Die Gitarren hämmern und Sänger Chester Bennington brüllt wie am Spieß. Aber nichts dröhnt oder pfeift, jedes Instrument ist deutlich zu hören.

Schon alleine der Sound zeigt, zu welch professionellem Unternehmen die einstige Rabauken-Truppe von Linkin Park über die Jahre geworden ist. Hier stimmt alles:

Die Bühnen-Deko mit ein paar beweglichen, raffiniert konzipierten LED-Schirmen ist schlicht, aber höchst effektiv. Die sechs Musiker spielen perfekt zusammen. Dazu bieten Linkin Park ein abwechslungsreiches Programm.

Auch wenn der harte Rock und die wütend gedroschenen Gitarren dominieren, sind doch vielerlei andere Einflüsse – von Hip-Hop bis zu Electronica – zu hören. Dazu soliert Shinoda am Klavier, DJ Joe Hahn an den Decks klingt dabei fast wie Skrillex.

Aber das Schönste daran: Bei aller Perfektion ist an der Linkin-Park-Show nichts glatt oder steril. Immer noch klingen Bennington, Shinoda und ihre Freunde, als würden sie jeden Ton, den sie spielen, singen, brüllen und rappen, wirklich lieben. Eine Qualität, die sich schnell aufs Publikum überträgt. Auch wenn ein paar Leute auf den Rängen erst zum Schluss bei Hits wie "In The End" und "Crawling" aufwachen, das Gros ihres Publikums hatten die Amerikaner schon mit "Guilty All The Same" auf ihrer Seite.

KURIER-Wertung: