Kultur

Liao Yiwu: Das gute alte "harmonische Öl"

Seine Lehrmeister waren Hunger und Obdachlosigkeit (während der Kulturrevolution), und als er nachher aus gegebenem Anlass auf dem Platz des Himmlischen Friedens sein Gedicht „Massaker“ vorlas – „Chinesen haben kein Haus. Unser Haus ist eine warme Sehnsucht“ –, bekam er den nächsten Lehrmeister: das Gefängnis. Vier Jahre war er eingesperrt. Seit 2011 lebt Liao Yiwu in Berlin. 2012 wurde er mit dem Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels geehrt. In China sind seine Bücher verboten.

„Ich bin nur ein einfacher Mann, der die Gefühle des Volkes untersucht“, hat der jetzt 54-Jährige einmal über sich gesagt. Sprachrohr sei er, ein Aufnahmegerät der Epoche. „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ war 2009 ein Renner. In der Sammlung von Gesprächen kommt so mancher zu Wort, den es in China gar nicht geben sollte: die Prostituierte, Menschenhändler, Toilettenmann.

Mit „Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch“ (übersetzt von Hans Peter Hoffmann, S. Fischer Verlag, 25,70 Euro) ist soeben die ersehnte Fortsetzung der Dialoge erschienen. Diesmal wirken mit: Anwalt, Säufer, Mörder – und ein Restaurantbesitzer, der erzählt, wie man in seiner Branche die hohen Preise überlebt hat: indem im Untergrund eine Industrie herrscht, die altes Frittieröl recycelt – mithilfe von Paraffin und Alaun wird es „neu“ und kommt unter dem guten Namen „Harmonisches Öl“ in den Handel zurück.