Letztlich holt uns die Erinnerung ja doch ein
Von Simone Hoepke
Sommerkind klingt nach jugendlicher Leichtigkeit. Von dieser ist im Roman weit und breit keine Spur. Die Protagonisten haben ihre Unbeschwertheit verloren. Damals, als das Mädchen Malu reglos am Boden des Schwimmbeckens lag.
Sommerkind nennen die Ärzte in der Klinik jene Wachkoma-Patienten, die im warmen Wasser verunglückt sind, so wie Malu. Ereignisse wie dieses spalten das Leben unweigerlich in zwei Teile. In jenem Teil vor und jenem nach dem Schicksalstag.
Man kann Erinnerungen aus dem Weg gehen, sie aber nie ganz abschütteln. Die eigene Geschichte folgt einem bis in eine mongolische Jurte oder ein New Yorker Loft – so treu wie der eigene Schatten, schreibt die Hamburger Autorin Monika Held. Wer ihren Auschwitz-Roman "Der Schrecken verliert sich vor Ort" las, der weiß, sie steht nicht für leichte Kost.
In "Sommerkind" hadern Menschen mit dem Schicksal, wollen vor ihrer eigenen Geschichte fliehen, werden immer wieder von diffusen Gedanken eingeholt.
Held lässt die Wissenschaftlerin Ragna forschen, was Menschen letztlich immer an den Ort ihrer Kindheit zurückzieht. Sind es Gerüche? Geräusche?
Ragna hat plötzlich Bilder im Kopf, die nicht zusammenpassen. Sie sucht den Jungen, in den sie vor einem Vierteljahrhundert verliebt war. Und langsam kehrt auch die Erinnerung an dessen Schwester, Malu, zurück.
Monika Held:
„Sommerkind“
Eichborn Verlag.
230 Seiten.
20,60 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern