Leopold: Eine Entkrampfung wäre "umso besser"
Ab 1. Oktober wird der Kunsthistoriker
Tobias Natter als künstlerischer Leiter das Wiener Leopold Museum gemeinsam mit dem Betriebswirt Peter Weinhäupl leiten. Im KURIER erklären die Chefs des Museums, das kommende Woche sein 10-Jahres-Bestehen feiert, ihre Visionen für die nächste Dekade.
KURIER: Angenommen, Sie sind sich nicht einig - ist vertraglich festgelegt, wer von Ihnen beiden recht hat?
Tobias Natter: Das ist eine gute Frage. Die Kernzuständigkeiten sind klar definiert. Aber in der Stiftungskonstruktion liegt die strategische Planung sowieso beim Vorstand. Im Tagesgeschäft gibt es daher diese heftigen Konflikte nicht.
Aber wenn sich künstlerische Vision und budgetäre Wirklichkeit unterscheiden?
Natter: Wir können uns letztlich über Petitessen streiten. Über den Ankauf von Bleistiften. Aber wenn ich sage: Ich will diese Ausstellung, da hängt mein Herzblut dran - und es von der finanziellen Seite heißt, das geht nicht, dann ist es der Vorstand, der überzeugt werden muss.
Peter Weinhäupl: Ich sehe mich nicht nur als reiner Betriebswirt, der irgendwelche Zahlen prüft. Ich habe hier Ausstellungen mitkuratiert. Ich glaube, eine blinde Streitigkeit um irgendwelche Zahlen wird es nicht geben.
Was sind denn nun konkrete Ausstellungspläne?
Natter: Solche Projekte werden ganz sicher mit Schiele und mit Wien um 1900 zu tun haben, es wird 2013 etwas Bedeutendes zu Klimt geben. Museen wie das Belvedere sind
hochspezialisierte, erstklassige Häuser, aber als Kunstmuseen haben sie auch einen elitären Anspruch. Wir werden Wege suchen, wo es nicht rein um die Kunstgeschichte geht.
Zum Beispiel?
Natter: Sammler und Mäzene sind ein kulturwissenschaftlich spannendes Thema, mit dem ich mich schon lange intensiv beschäftige. Im Fokus steht für mich das Kunstwerk, genauso interessiert mich aber auch der Kontext und das gesellschaftliche Umfeld von Produktion und Distribution. Wie fanden in Wien um 1900 neue Kunst und neue Gesellschaft zueinander? Wie schmückten sich die Sammler mit ihren Erwerbungen, wie lebten sie damit, wie inszenierten sie sich mit ihren Bildern? Und in Österreich die essenzielle Frage, was passiert 1938, als zerbricht, was vor dem eine Einheit war? Das ist für mich ein Leitthema, gerade für ein Sammlermuseum wie das Leopold Museum. Wir reden sehr oft über Provenienz und Restitution, es geht um unrechtmäßigen Vermögensentzug - es geht aber auch um Kulturgeschichte, um Identitäten.
Wäre eine Schau über jüdisches Mäzenatentum ein Weg, um verhärtete Fronten mit der Israelitischen Kultusgemeinde zu überwinden?
Natter: Ich möchte das machen, weil ich davon überzeugt bin. Wenn es zusätzlich zu einer Entkrampfung führt, umso besser!
Das Thema Restitution bestimmt nach wie vor das Bild des Museums in den Medien.
Natter: Ich glaube schon, dass das eine schwere Hypothek für das Museum war. Seit der "Wally" ist eine neue Richtung erkennbar. Dieser Weg ist sehr weit gegangen.
Es gibt noch strittige Fälle, an deren Lösung der Vorstand mit den Betroffenen arbeitet. Insofern bin ich überzeugt, dass das Leopold Museum sich seiner Verantwortung bewusst ist. Ich hoffe, dass Restitution bald ein Thema der Kulturgeschichte wird.
Weinhäupl: Man hatte ja, wenn man nur die Propaganda betrachtet hat, vermutet, dass jedes fünfte Bild in der Stiftung belastet ist. Es ist nun klar, dass dem Gott sei Dank bei Weitem nicht so ist. Wir sind auf diesem Gebiet Vorreiter gewesen. Bei der Provenienzforschung haben wir gute Arbeit geleistet. Es gab auch eine gewisse Zeit des Stillstands, das lag auch an gewissen Rechtsunsicherheiten: Man musste zunächst Rechtsexperten befragen und Studien einholen, die belegt haben: So geht's.
Sie planen Kooperationen mit Sammlern bzw. Sammlungen. Wäre die Sammlung Hans Dichand interessant?
Weinhäupl: Wir wären gerne Heimat dieser Sammlung, wir machen sofort einen Stock dafür frei.
Wie geht es mit der zweiten Sammlung, die Rudolf Leopold hinterlassen hat, weiter?
Weinhäupl: Das ist ganz wesentlich. Da gibt es unterschiedliche Modelle, und es kann nicht so sein, dass wir hier Geld in die Hand nehmen und diese Sammlung kaufen - das wird auch der Staat nicht machen, wir können es nicht finanzieren. Was wir aber machen können, ist eine Dauerleihgabe mit der Option auf Verlängerung - und dass Gegenleistungen ausgetauscht werden, wie Versicherung, Einlagerung, Restaurierung. Die Sammlung ist großartig, ich kenne sie und glaube, dass sie in unser Haus sehr gut passt.
Wann könnte es so weit sein?
Weinhäupl: Das ist eine Sache, die man mit der Familie abstimmt. Ich glaube aber, dass dies durchaus Dringlichkeit hat.
Leopold Museum: Jubiläumsprogramm
Festtage: Am Mittwoch, dem 21. September wird das 10-Jahre-Jubiläum der Eröffnung des Baus im Wiener MuseumsQuartier gefeiert. Am 22. September eröffnet die Jubiläums-Schau "Melancholie und Provokation - das Egon-Schiele-Projekt".
Die Ausstellung:
Elisabeth Leopold, die Witwe des Museumsgründers, hat u. a. Werke von Schiele und Kokoschka ausgewählt. Dazu sind Werke zeitgenössischer Künstler zu sehen, die sich mit Schiele befassen.
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