Kultur

"Lederstrumpf" ist zwischen den Kämpfen anders

Nicht, dass es überrascht. Aber wenn man derart überdeutlich serviert bekommt, wie „vielfältig“ Literaturkritik ausfallen kann, schaut man schon ein bissl dumm aus der Wäsche.
Weil es ja immerhin Mark Twain war, der angesichts eines der fünf „Lederstrumpf“-Romane notiert hatte, es handle sich um ein „literarisches Delirium tremens“.

Aber Goethe verschlang die ersten zwei Bände (danach war er tot), Balzac lobte die „magische Prosa“, für D. H. Lawrence war sie „makellos wie ein Juwel“ ... und als man selbst in jungen Jahren „Der letzte Mohikaner“ geschenkt bekommen hat, naja, Tschinnbumm, etwas kompliziert , weil die Huronen mit den Franzosen gepackelt haben, ein früher Western halt. Und das hat Goethe so begeistert? Seltsamer Typ.

Langsam

Endlich, fast 200 Jahre nach Erstveröffentlichung in Amerika, sieht man: Was deutschsprachigen Lesern zugemutet wurde, waren zusammengestrichene Versionen, „Jugendbuch-Ausgaben“, reduziert aufs Spannende.

Der echte „Letzte Mohikaner“ ist ein langsames Buch über den Indianerkrieg, in dem die Natur „ihre sanfteste, bestickendste Seite“ zeigt, sobald das Krachen der Kanonen aufhört. Hungrige Raben kämpfen mit dem Sturm, das Wasser im Fluss kräuselt sich, und ein Kriegsgesang wetteifert mit den Vögeln, er „bewegt sich an den Grenzen des Umfangs der menschlichen Stimme“:
Hoch am Himmel, in den Wolken, seh ich, oh!
Viele Flecken – viele dunkel – viele rot ...

James Fenimore Cooper (1789 –1851) hatte nicht vor, eine Serie zu schreiben. Das sieht man auch daran, dass sein Held von Buch zu Buch den Spitznamen änderte: Lederstrumpf, Falkenauge, Lange Büchse, Pfadfinder, Wildtöter. Ob die Figur dem Pionier Daniel Boone oder dem Green Berets-Vorbild Robert Rogers nachempfunden wurde, ist ziemlich egal.

Wichtig ist, dass es ein Mensch ist, der zwischen der Wildnis und der sogenannten zivilisierten Welt wandert. Wobei ihm die Natur näher liegt, aber er hat verstanden, dass sich die Zeiten geändert haben.

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Cooper hatte Kontakt zu Indianern gesucht. Er begleitete Delegationen nach Washington, er freundete sich mit Häuptling Ongpatonga vom Volk der Omaha an. Lederstrumpfs Gefährte Chingachgook wurde von ihm zwar als „edler Wilder“ beschrieben, aber durfte wenigstens einmal den Skalp eines Franzosen in der Hand halten. Cooper bemühte sich zu zeigen, dass sowohl Indianer als auch Weiße besondere „Gaben“ hatten.

Die neue Übersetzung der Münchnerin Karen Lauer sorgt für berechtigten Jubel.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Info: James Fenimore Cooper: „Der letzte Mohikaner“. Übersetzt von Karen Lauer Hanser. 656 Seiten. 35,90 Euro.