Kultur

Im Sturm bekommt jede Welle eine eigene Stimme

Es gibt ein Sprichwort: Willst du beten lernen, gehe zum Meer.

Es geht auch daheim: Man liest in " Chita" vom Meer. Wie es schreit, wie es 150 Jahre vor dem Hurrikan "Katrina" geschrien hat.

Jede Welle mit einer eigenen Stimme; und der Sturm, der wird so stark, dass man sich drauflegen könnte.

Im Jahr 1856 gingen die kleinen Inseln bei New Orleans unter. Felder verschwanden, ganze Schafherden wurden in den Golf von Mexiko geschwemmt.

Auf der schönsten Insel, Last Island, zerriss der Hurrikan alles, auch das aus Holz gebaute noble Strandhotel. 200 Badegäste, die im Tanzsaal Zuflucht gesucht hatten, ertranken.

Mischung

Und so geht "Chita" weiter:

Da schwimmt ein Billardtisch aufs Meer hinaus. Darauf liegt leblos eine Frau. Ein lebendes Kind, etwa fünf Jahre alt, klammert sich an die Tote. Ein spanischer Fischer springt ins Wasser. Er rettet die Kleine.

Bei ihm und seiner Frau wächst sie in großer Geborgenheit auf. Sie wird Chita gerufen (von Conchita). Kein Angehöriger meldet sich. Aber Chitas leiblicher Vater lebt. Ahnungslos ist er ...

Wer war dieser Autor, der sich derart sprachmächtig den Naturgewalten stellte? Neben Joseph Conrad soll er für immer stehen.

Und – welche bekömmliche Mischung! – die Bücher Guy de Maupassants müssen in der Nähe sein.

Lafcadio Hearn (1850– 1904) ist selbst ein Buch.

Ein gebürtiger Grieche, der bei Vaters Verwandten in Irland und Frankreich aufwuchs. Der nach Amerika verfrachtet und mit fünf Dollar auf die Straße gesetzt wurde. 18 war er damals.

Klein, schüchtern, auf einem Auge blind.

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Laufbursche, Kohlenschaufler, Kellner und Reporter. Erfolgreich mit schockierenden, engagierten Reportagen in Cincinnati und New Orleans.

Als 40-Jähriger erfüllte er sich seinen Traum und ging nach Japan. Bis zum tödlichen Herzinfarkt lehrte er Englisch und war in zwölf Büchern Kulturvermittler.

Seine japanischen Geistergeschichten kennt man, wenn man seinen Namen kennt (im Anaconda Verlag um 5,10 Euro, Gustav Meyrink hat übersetzt).

Aber "Chita", erstmals 1889 in den USA veröffentlicht, geriet völlig in Vergessenheit. Sehr zu Unrecht. Gezeigt wird, dass das Meer nicht nach Gottes Willen tanzt. Leider hat sich Lafcadio Hearn nur für diese eine Novelle derart in die Fluten gestürzt (bis es friedlich wird und die Wellen nur noch rosa zittern).

KURIER-Wertung:

INFO: Lafcadio Hearn: „Chita“ Übersetzt von Alexander Pechmann. Verlag Jung und Jung. 136 Seiten. 17,90 Euro.