Der Popherbst trägt heuer gaga
Von Georg Leyrer
Nach Hummer-Hut, Stanniolhaube und Fleischkleid, nach Muschel-BH, Nonnen-Outfit und diversen Nackerpatzl-Auftritten möchte Lady Gaga doch noch einmal etwas klarstellen.
Sie ist Popkunst, daher darf sie das. Ja, sie muss es geradezu.
Die Musik ist nämlich ganz und gar keine Popkunst. Sondern, subtrahiert man das umtosende Schrillsein der Lady, überraschend bieder. Das Album bemüht sich um Originalität, ist aber im Spagat zwischen Kunstanspruch, Mainstream-Breite und Baukastendiscobeats dem Vorgänger „Born This Way“ allzu ähnlich. Ohne jedoch so frisch zu klingen, wie der damals war.
Wenig Applaus
Letztere bringt zumindest in den Texten etwas von jener Schrägheit unter, die sie bekannt gemacht hat: Die Rakete Nummer neun soll doch, so singt Gaga, zum Planeten Venus abheben, der Liebhaber sich jetzt gefälligst entscheiden, ob er sie nackt sehen will (wer hat das noch nicht?), und wer von uns hat sich am Laufsteg noch nicht davon abhalten müssen, sich zu übergeben?
Dass sie auch noch festhält, dass „Artpop“ alles bedeuten könnte, etwa auch, den Fans nur etwas verkaufen zu wollen, wäre wiederum nicht nötig gewesen.
Zunge
Ja, auch diesmal hat Lady Gaga allerlei doppelte Böden in ihr Image eingezogen, sie ist ein Produkt des Popmarktes, das selbigen durch Überspitzung an die Grenze der Selbstveräppelung führt.
Dabei hat sie, trotz heraushängender Zunge und abhanden gekommener Oberbekleidung, von den drei derzeit erfolgreichsten schrägen Frauen des Pop mit „Bangerz“ das bei Weitem beste Album abgeliefert. Sie ist ein wenig zur umgekehrten Lady Gaga geworden: Bei Cyrus schwächt ein allzu vehementer Drang zur Selbstvermarktung durchaus hörenswerte Musik.
Es wäre in diesem Zusammenhang übrigens allzu leicht, ein wenig hämisch zu vermerken, dass in den USA erst kürzlich ein Negativrekord im Musikverkauf verzeichnet wurde.