Kultur

Der Popherbst trägt heuer gaga

Nach Hummer-Hut, Stanniolhaube und Fleischkleid, nach Muschel-BH, Nonnen-Outfit und diversen Nackerpatzl-Auftritten möchte Lady Gaga doch noch einmal etwas klarstellen.

Sie ist Popkunst, daher darf sie das. Ja, sie muss es geradezu.

Damit dieses aufopferungsvolle Abarbeiten eines inneren Zwanges auch ja alle mitbekommen, hat sie dieses Faktum jetzt auch im Namen ihres neuen Albums festgeschrieben: Es heißt „Artpop“, ist soeben erschienen – und symptomatisch für die Karriereprobleme der Popkunstfigur.

Die Musik ist nämlich ganz und gar keine Popkunst. Sondern, subtrahiert man das umtosende Schrillsein der Lady, überraschend bieder. Das Album bemüht sich um Originalität, ist aber im Spagat zwischen Kunstanspruch, Mainstream-Breite und Baukastendiscobeats dem Vorgänger „Born This Way“ allzu ähnlich. Ohne jedoch so frisch zu klingen, wie der damals war.

Wenig Applaus

Es spricht für das feine Sensorium des Poppublikums, dass die Vorab-Single „Applause“ in den USA nicht den gewohnten Erfolg brachte. Es spricht gegen das feine Sensorium des Poppublikums, dass stattdessenKaty Perry– die mit den Schlümpfen tanzt – mit ihrem antihaftbeschichteten Pop (aktuelles Album: das in Zeiten der US-Spionageaffäre überaus unglücklich benannte „Prism“) die Charts stürmte. Nur noch dank Katy Perry weiß man, was man an Lady Gaga hat.

Letztere bringt zumindest in den Texten etwas von jener Schrägheit unter, die sie bekannt gemacht hat: Die Rakete Nummer neun soll doch, so singt Gaga, zum Planeten Venus abheben, der Liebhaber sich jetzt gefälligst entscheiden, ob er sie nackt sehen will (wer hat das noch nicht?), und wer von uns hat sich am Laufsteg noch nicht davon abhalten müssen, sich zu übergeben?

Dass sie auch noch festhält, dass „Artpop“ alles bedeuten könnte, etwa auch, den Fans nur etwas verkaufen zu wollen, wäre wiederum nicht nötig gewesen.

Zunge

Ja, auch diesmal hat Lady Gaga allerlei doppelte Böden in ihr Image eingezogen, sie ist ein Produkt des Popmarktes, das selbigen durch Überspitzung an die Grenze der Selbstveräppelung führt.

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Dennoch muss sich Gaga dringend an ihre Alleinstellungsmerkmale erinnern. Längst kratzen nämlich die Konkurrentinnen auch am ureigensten Aufgabengebiet der Gaga:Miley Cyrushat sich zuletzt auch nicht gerade durch unauffällige Normalheit ausgezeichnet und muss daher zur Strafe zu „Wetten, dass ..?“.

Dabei hat sie, trotz heraushängender Zunge und abhanden gekommener Oberbekleidung, von den drei derzeit erfolgreichsten schrägen Frauen des Pop mit „Bangerz“ das bei Weitem beste Album abgeliefert. Sie ist ein wenig zur umgekehrten Lady Gaga geworden: Bei Cyrus schwächt ein allzu vehementer Drang zur Selbstvermarktung durchaus hörenswerte Musik.

Es wäre in diesem Zusammenhang übrigens allzu leicht, ein wenig hämisch zu vermerken, dass in den USA erst kürzlich ein Negativrekord im Musikverkauf verzeichnet wurde.