Kultur

Kunst zerfleischt sich selbst

Zugegeben: Es ist ein bisschen unfair, die kleine Galerie im Salzburger Traklhaus an dieser Stelle in die Pfanne zu hauen. Und tatsächlich gebührt der Schau "Hier steht ein SesselSessel, Hocker, Stuhl in der Kunst", die noch bis 13. 9. in den engen Räumlichkeiten zu sehen ist, auch ein wenig Lob: Mit ihrer fast schon absurd anmutenden Anhäufung von Kunstwerken legt sie eine intellektuell besonders schmalspurige Art des Ausstellungsmachens bloß, die auch in vielen anderen Häusern Usus ist.

Curated by Google

Nennen wir das Prinzip "Curated by Google": Man nehme ein Stichwort und suche Kunst. Die Salzburger Galerie schließt mit der Stuhl-Schau an vorige Saisonen an (man sah hier schon Kunst zum Thema Schuhe, Essen und Tiere); nun treffen Sitzgelegenheiten von Erwin Wurm auf solche von Ai Weiwei, ein Gynäkologenstuhl von Cornelius Kolig kommt neben einem Hocker der Gruppe Gelitin zu stehen. Man möchte "sehen, wie sie aufeinander wirken", sagt Dietgard Grimmer, Galeriechefin und Kuratorin, dazu.

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Doch ein Zoodirektor sperrt auch nicht Füchse, Ratten, Hasen und einen Braunbären in einen engen Zwinger, um zu "sehen, wie sie aufeinander wirken" – selbst wenn alle Lebewesen ein Fell und vier Beine haben.

Dass in der Kunst, wo man ja bekanntlich frei assoziieren darf, dergleichen möglich ist, ist ein Irrglaube. Denn obwohl Kunstwerke vom Nebeneinander in einer Ausstellung profitieren können, besitzen sie doch auch ein Eigenleben, das Respekt verdient. Zu recherchieren, welche Verbindungen zwischen Werken bestehen, zu beurteilen, wie sie – geistig wie räumlich – zueinander zu positionieren sind: Das ist es, wofür Kuratoren Zeit und Ressourcen brauchen. Sehr oft haben sie diese nicht.

Weg aus der Krise

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Assoziative Ausstellungen sind ein einfacher Weg aus der Krise, und fast jedes Haus hat sie im Programm: Wir denken zurück an solche Nicht-Sternstunden wie "Weltraum" (2011, Kunsthalle Wien) und "Gold" (2012, Belvedere), aber auch an Positiv-Beispiele wie "Nackte Männer" (2012/’13, Leopold Museum) oder die Schau "Kunst voller Wein" (KHM, 2012).
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In den Letztgenannten war das titelgebende Thema in einen geistesgeschichtlichen Kontext eingebettet. Die Kuratoren konnten glaubhaft argumentieren, dass ein Motiv, dem sich verschiedene Künstler widmeten, für mehr steht als nur für eine oberflächliche Ähnlichkeit. In der historischen Kunst, in der etwa Stillleben oder Akte relativ klar definierte künstlerische Disziplinen sind, lassen sich solche Hintergründe freilich leichter herausfinden und erklären als in der zeitgenössischen Kunst: Wenn hier ein Künstler einen Stuhl malt, formt oder sich anderswie zu eigen macht, hat das mit dem Sessel, den ein anderer bearbeitet, meist überhaupt nichts zu tun.

Es gibt natürlich die Möglichkeit, sich überraschen zu lassen und dieses Urteil über Themenausstellungen zu revidieren. In diesem Sinn wäre noch rasch die Schau "Shoeting Stars" (über Schuhe in Kunst und Design, Kunsthaus Wien, bis 5.10.) zu besuchen, bevor es dann im Herbst mit "Blue Times" (über die Farbe Blau in der Kunst, ab 1.10., Kunsthalle Wien) weitergeht.