Kultur

"Kunst versöhnt mit der Existenz"

"Ich kann keinen Text über Sisi und Franz schreiben, sorry. Ich kenne nur den Alltag. Und der kann hochpoetisch und ausgesprochen dramatisch sein. Drama ist in der kleinste Hütte und in der kleinsten Begebenheit."

Element-Of-Crime–Sänger Sven Regener sitzt im Café Westend, einem seiner Lieblingsplätze in Wien, und hat sich beim KURIER-Interview einmal mehr in Fahrt geredet. Das tut er gern. Ein bisschen grantig wirkt er dann, aber die Freude am Diskurs, ein gewisser ironischer Abstand zum Thema, bleibt stets zu spüren.

Ausgangspunkt war "Lieblingsfarben und Tiere", das eben erschienene neue Album von Element Of Crime. Das ist einmal mehr ganz typisch für die Band, die nächstes Jahr 30 Jahre alt wird: Wunderschöne Melodien, Arrangements zwischen Rock, Pop und Chanson, gelegentlich durchsetzt von Mariachi-Flair.

Liebe zum Detail

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Und wieder einmal findet Regener die Themen für seine Lieder ausschließlich im für die meisten Songwriter viel zu banalen Alltag. Den beschreibt er noch dazu so detailliert wie kein anderer: "Es sind nicht einfach nur Blumen, die jemand mitbringt, sondern die vom Spar. Zum Frühstück gibt es kein Marmeladenbrot, nein, es muss definitiv Erdbeermarmelade sein." Was Regener aufgeregt hat, war die Frage, was er mit dieser Liebe zum Detail bewirken will.

"Es kann schon sein, dass das genau das ist, was Element Of Crime ausmacht und die Leute in meine Songs reinzieht. Aber ich möchte nicht jemand sein, der die Menschen steuert. Das wäre mir viel zu diktatorisch und manipulativ. Deshalb sage ich immer, dass ich Songtexte nur schreibe, um etwas zu singen zu haben. Klar – das ist schon ein bisschen kokett, denn natürlich will ich keinen Scheiß singen. Aber ich möchte damit auch nicht gezielt etwas bewirken."

Hoffnungslos

Auch die Tatsache, dass bei "Lieblingsfarben und Tiere" die Gitarren etwas rauer klingen als zuletzt, sagt Regener, habe keinen bestimmten Grund. "Mich erinnert das ein bisschen an unsere Anfänge, an unsere Platte ,Try To Be Mensch‘ von 1987. Die hatte – wie die neue auch – ein paar Lieder, die sehr kalt und hoffnungslos sind."

Dagegen, das als Reflexion der Zeit zu sehen, verwehrt sich Regener aber sofort. Kunst, sagt er, brauche kein Spiegel der Zeit zu sein. "Sie muss einfach nur sein – weil wir ohne sie unser Leben nicht ertragen könnten. Sie versöhnt uns mit unserer Existenz. Deshalb ist es eine völlig absurde Vorstellung, wenn religiöse Fanatiker und Extremisten sagen, man muss Musik verbieten."

Aus dem gleichen Grund mag Regener auch keine politischen Lieder. "Das ist etwas, was man vielleicht mal machen kann, wenn man ein bestimmtes Anliegen hat. Aber das ist nicht der natürliche Ursprung eines Liedes. Denn in der Politik geht es um Vernunft und in der Musik um Gefühle. Die sind aber in der Politik äußerst gefährlich."

Jetzt kommt der 53-Jährige, der auch mit Romanen wie "Herr Lehmann" und "Neue Vahr Süd" große Erfolge feiern konnte, erst richtig in Fahrt.

Werbung statt Kunst

Denn Künstler, "die immer davon reden, was sie bewirken wollen", sind in seinen Augen nur tragisch. "Dieser erzieherische Ansatz in der Kunst, man wolle die Leute bewegen, in diese und jene Richtung zu denken, hat für mich immer etwas Anmaßendes. Denn wer bist du denn? Jemand der seinen Mitmenschen etwas voraus hat und sie klüger machen muss? Kunst ist nicht der verlängerte Arm der Volkshochschule! Das ist dann das Agitprop-Phänomen – Werbung aber keine Kunst!"

Deshalb finden Regener und Element Of Crime schon seit 29 Jahren Poesie und Drama ausschließlich im Alltag. Auch das 30-jährige Bandjubiläum 2015 wird daran nichts ändern. Gefeiert wird es auch nicht. Denn: "Wenn man mir zu Beginn gesagt hätte, du wirst das 30 Jahre lang machen, hätte ich wahrscheinlich gesagt, oh Gott, das will ich gar nicht!"