Kunst-Projekt zu Nordkorea: Der theatralische Staat
Von Karl Oberascher
Mehr als 60 Jahre Personenkult haben ihre Spuren hinterlassen.
Nordkorea, das ist nach offizieller Lesart nicht nur das abgeschottetste Land der Welt, es ist auch eines der skurrilsten. Geradezu operettenhaft wirken die Bilder, die die westliche Welt aus dem nach stalinistischen Vorbild regierten Nordkorea erreichen. Ein Diktator als allmächtiger Teenie-Popstar - so pflegt die Propaganda ihren "Obersten Führer" Kim Il-sung, der - so besagen Gerüchte aus Nordkorea - schon im zarten Alter von drei Jahren Auto fahren konnte, zu inszenieren.
Popstar
Das offizielle Nordkorea scheint es stets ein wenig zu gut mit seinem Führer zu meinen: Manisch klatschende Militärs; ekstatisch heulende Frauen, die ihrem Obersten Führer wild kreischend zuwinken; dazu die auf die Zehntelsekunde getakteten Choreografien, bei denen Tausende Menschen zu einem einzigen Schaubild verschmelzen. Neben dem Ausmaß, ist es vor allem die Art der Verehrung des "Obersten Führers" Nummer drei, die westliche Beobachter verstört - und ihnen mitunter einmal ein (Be-)Lächeln abringt, nicht nur wie zuletzt bei der Klamauk-Komödie "The Interview", in der zu Jahresbeginn der jüngste Kim-Spross aufs Korn genommen worden war.
Polaroid
Chris Barrett und Gianluca Spezza wollten diese Bilder so nicht stehen lassen - und dabei helfen, Nordkorea besser zu verstehen. Für "Icons of Rhetoric" - laut Barrett eine "Mischung aus Kunstprojekt und journalistischer Arbeit" - fotografierte er die offiziellen Propagandabilder, die in regelmäßigen Abständen vom Regime veröffentlicht werden, mit einer Polaroid-Kamera.
Während das offizielle Narrativ so erhalten bleibe, ändere sich mit der veränderten Oberfläche auch die Ästhetik der Bilder, erklärt der Fotograf vial Email. "Die Schärfe der Bilder wird eingetauscht gegen die Dunkelheit, die in die Ecken kriecht." Die durch Fotoapps wie Instagram zu neuer Bekanntheit gelangte Optik alter Polaroids, stellt darüber hinaus auch einen Bezug zur Popkultur her. Der Look, in dem Barrett Nordkorea präsentiert, ist allgegenwärtig. Ob er damit wirklich zur Demystifizierung dieses "bekanntesten unbekannten Landes" beiträgt, sei dahingestellt.
Was die transformierte Optik jedenfalls leiste, sei den Blick länger auf den Bildern ruhen zu lassen und damit auch die Aufmerksamkeit auf die beigleitenden Texte zu lenken, meint Barrett. Projektpartner Gianluca Spezza dokumentiert darin die Entstehung der Bilder, erklärt ihren Kontext - und macht so transparent, was man längst geahnt hat: Bilder lügen. Hier unterscheidet sich Nordkorea ausnahmsweise nicht vom Rest der Welt.
Weitere Infos unter www.iconsofrhetoric.com