Künstlerin Carmen Herrera mit 106 Jahren verstorben
Von Michael Huber
Ihre Bilder sind durch geometrische Formen bestimmt, die Kunstgeschichte kennt dafür die Bezeichnungen "Hard Edge-Malerei" oder "Geometrische Abstraktion". Auch in Lateinamerika, dem ursprünglichen Kulturkreis von Carmen Herrera, entwickelten Maler wie Helio Oiticica einst eine vergleichbare Formensprache und hatten Erfolg damit.
Doch Herrera, die 1915 auf Kuba geboren wurde und seit 1954 in New York lebte, wurde von niemandem wirklich bemerkt. Jahrzehntelang schuf sie ihre Bilder unermüdlich, lebte sparsam und fand ihr Auslangen dank ihrem Ehemann, der als Englischlehrer in einer öffentlichen Schule arbeitete. "Ich male, weil ich malen muss", erzählte sie der New York Times später. "Ich hatte nie eine Idee von Geld, und Ruhm erschien mir als eine sehr vulgäre Sache. Also habe ich gearbeitet und gewartet".
Entdeckung mit 89
Vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes, im Jahr 2004, änderte sich für die damals bereits 89 Jahre alte Malerin dann alles: Eine Ausstellung in der "Latin Collector's Gallery" im New Yorker Stadtteil TriBeCa fand die Aufmerksamkeit bekannter Sammlerinnen, darunter Agnes Gund, die lange den Vorstandsvorsitz des Museum of Modern Art (MoMA) innehatte. Sie kaufte mehrere Gemälde und schenkte eines davon dem Museum. Dann ging es Schlag auf Schlag - mit zahlreichen Ausstellungen und Ankäufen für renommmierte Museen und Privatsammlungen.
Der Preis für ihre Arbeiten stieg beständig - Sotheby's verkaufte etwa 2019 ein grün-weißes Gemälde aus den späten 1950er Jahren um 2,9 Millionen US-Dollar. Ihr Geld investierte Herrera, die gegen Ende ihres Lebens im Rollstuhl saß, vor allem in den Erhalt ihres Lofts und in Pflege: Die Idee, in ein Pflegeheim gehen zu müssen, behagte ihr nicht.
Zuletzt, kurz vor ihrem Tod, erwarb die National Gallery in Washington noch ein Bild, heißt es im Nachruf der New York Times. Herrera habe sich sehr darüber gefreut.