Neue Musik in der Szene verankert
Beat Furrer jobbte einmal vor einer halben Ewigkeit als Model in einer Elfie-Semotan-Werbekampagne für ein die Sinne belebendes Mineralwasser. Darauf angesprochen, muss er herzhaft lachen und kann’s kaum glauben: "Dass man sich daran noch erinnert. Das ist doch schon sehr, sehr lange her."
Dass er als Gründer des Klangforum Wien, Dirigent und Komponist mit dem Großen Österreichischen Staatspreis 2014 ausgezeichnet wird, ist für Furrer, Jahrgang 1954, "einerseits eine schöne Bestätigung meiner Arbeit, andererseits irritiert mich so ein Preis fürs Lebenswerk." Eine Wertschätzung mit der Anmutung eines Nachrufes sei verfrüht.
"Denn man lebt doch in den zukünftigen Werken. Noch ist nichts abgeschlossen. Ich habe noch viele Pläne", sagt Furrer. Seit 1991 ist er Professor für Komposition an der Kunstuni Graz, seit 2006 Gastprofessor für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main.
Neue Musik etabliert
Seine bisherigen Werke (u. a. "Die Blinden", "Narcissus", "Wüstenbuch" oder "Begehren") haben internationale Anerkennung gefunden.
Es freut ihn, dass er "als Österreicher wahrgenommen wird", sagt der in Schaffhausen geborene Komponist (mit österreichischer Staatsbürgerschaft seit 30 Jahren) im KURIER-Gespräch. "Viel hat sich getan in der Zeit."
Claudio Abbado, Hans Landesmann und Gérard Mortier haben den Boden aufbereitet. "Im internationalen Vergleich ist die Szene der neuen Musik in Österreich heute sehr lebendig", sagt Furrer, der mit seinem Engagement, die neue Musik in der Szene zu verankern, viel beigetragen hat.
"Das Festival ,Wien modern‘ war von Anfang an ein Erfolg. Und dass die Klangforum-Wien-Konzerte regelmäßig ausverkauft sind, führt alle Vorurteile gegenüber der zeitgenössischen Musik ad absurdum." Heute könne man nicht mehr sagen, das Wiener Publikum sei konservativ.
Furrer will Klänge neu erlebbar machen. Im Mittelpunkt seiner Musik steht dabei die Sprache, die zum Klang wird, und die Stimme, "weil der Gesang viel über den Menschen aussagt, der ihn produziert". Nicht als Abbildung, sondern eher als Material für Experimente. Furrer: "So entstehen oft kleinere Stücke, die sich dann zu größeren – bis hin zu Opern – zusammensetzen."
Zwei Opernprojekte
Derzeit arbeitet er an zwei Projekten: In Hamburg soll im Mai 2015 unter der Leitung von Simone Young eine Oper über das graue Leben des italienischen Dichters Dino Campana uraufgeführt werden, der von sich selbst sagte: "Ich heiße Dino, aber bin Edison und lebe elektrisch ..." Und 1932 nach 14 Jahren in einer Nervenheilanstalt bei Florenz starb.
Vom russischen Autor Vladimir Sorokin hat Furrer das Libretto für ein Musiktheater erhalten: "Violetter Schnee" – für 2017 in Berlin geplant – basiert auf Andrej Tarkowskijs Science-Fiction-Film "Solaris" (1972) nach dem Roman des polnischen Autors Stanislaw Lem.
Wobei Furrer der Science-Fiction-Aspekt bei Lem wenig interessiert. Eher fasziniert ihn das atmosphärisch Geheimnisvolle, Undurchschaubare, das auch für Tarkowskij im Vordergrund steht: "Ausgangspunkt ist das Fremdwerden einer vertrauten Sache: Menschen sind eingeschneit, können nicht mehr schlafen, nicht mehr kommunizieren. Kurz kommt die Sonne durch, eine violette Sonne und damit violetter Schnee ..."
Der bereits 1950 ins Leben gerufene Große Österreichische Staatspreis, seit 2003 mit 30.000 Euro dotiert, ist die höchste Auszeichnung, die die Republik Österreich einmal jährlich an einen Künstler für hervorragende Leistungen verleiht.
Der aus 21 Mitgliedern bestehende Österreichische Kunstsenat nominiert jährlich eine Künstlerpersönlichkeit ohne festgelegtes Rotationsprinzip aus den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur oder Musik für den Staatspreis.
Mit Beat Furrer wird heuer erstmals seit dem Jahr 2010 (Olga Neuwirth) wieder ein Preisträger der Kategorie Musik ausgezeichnet. Nach Friedrich Cerha (1986), György Ligeti (1990), Kurt Schwertsik (1992) Heinz Karl Gruber (2002) und Georg Friedrich Haas (2006).
Im Vorjahr ging die Auszeichnung für künstlerisches Schaffen an Erwin Wurm: "Seine Werke sind überaus facettenreich, radikal, satirisch, ironisch und surreal."
In der Nachfolge von Brigitte Kowanz (2009), Karl Prantl (2008), Hermann Nitsch (2005), Siegfried Anzinger (2003) und Christian Ludwig Attersee (1997) innerhalb der Sparte bildende Kunst.
"Peter Waterhouse ist ein Sprachkünstler, feinsinnig und wortgewaltig zugleich", hieß es über den Preisträger des Jahres 2012. Nachdem im Genre Literatur zuvor Wolfgang Bauer (1994), Ilse Aichinger (1995), Andreas Okopenko (1998), Gert Jonke (2001) und Josef Winkler (2007) geehrt worden waren.
Bisherige Preisträger im Bereich der Architektur waren u. a. Wilhelm Holzbauer (2000), Günther Domenig (2004) und Heinz Tesar (2011).