Deutscher Komponist Aribert Reimann 88-jährig gestorben
Von Georg Leyrer
Der deutsche Komponist Aribert Reimann, dessen Werke weltweit gespielt werden und der als einer der wichtigsten Vertreter der zeitgenössischen Musik gilt, ist tot. Er starb 88-jährig.
Mehr als siebzig Werke habe er geschrieben - Liederzyklen, Instrumentalstücke, Orchesterwerke und neun Opern. Seinen wohl größten Erfolg hatte er mit der 1978 in München uraufgeführten Oper „Lear“, die er dem Bariton Dietrich Fischer-Dieskau auf den Leib geschrieben hatte. Weltweit entstanden davon dutzende Neuinszenierungen. 2017 wurde Simon Stones Inszenierung in der Felsenreitschule bei den Salzburger Festspielen umjubelt.
Sein erstes Stück schrieb er mit zehn Jahren. Geprägt hatte ihn ein Auftritt im Berlin Hebbel-Theater im Chor bei Bertolt Brechts und Kurt Weills Oper „Die Jasager“. Nach dem Abend war ihm klar, dass er entweder als Sänger oder als Komponist der Bühnenwelt verbunden bleiben wollte. Musik gehörte bei den Reimanns zum Alltag wie Essen und Trinken. Bach, Beethoven, Schubert - sein Vater baute nach dem Krieg als Direktor den Staats- und Domchor Berlin auf, seine Mutter hatte eine Professur für Sologesang.
Liebe zum Gesang
Nach dem Abitur 1955 ging Reimann als Korrepetitor an die Städtische Oper (heute Deutsche Oper) in Berlin und studierte zugleich an der Berliner Musikhochschule Komposition bei Boris Blacher und Ernst Pepping. Sein Ballett „Stoffreste“ nach einem Libretto von Günter Grass wurde 1959 in Essen uraufgeführt. Aus Musiktheater und Lied entwickelte sich Reimanns Werk.
Die Liebe zum Gesang prägte fortan Reimanns Schaffen. Mit zwanzig begleitete er Fischer-Dieskau am Flügel, trat als Liedbegleiter auch mit der Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender auf. Auch sein Ziel, bis zum 30. Lebensjahr seine erste Oper zu veröffentlichen, ging in Erfüllung: „Ein Traumspiel“ nach dem Theaterstück von August Strindberg wurde 1965 Reimanns erste abendfüllende Oper.
Neben Liedkompositionen auf Texte von Paul Celan, James Joyce oder Joseph von Eichendorff schrieb Reimann Kammermusikstücke, Solokonzerte und Orchesterwerke wie die Miniaturen für Streichquartett oder die beiden Klavierkonzerte.
Bis zu seiner Pensionierung blieb er aber - zunächst in Hamburg, dann in Berlin - Professor für das zeitgenössische Lied.
Staatsopern-Medea
Sängerinnen wie Claudia Barainsky, Christine Schäfer oder die 2015 verstorbene Stella Doufexis kommen aus seinen Klassen.
Fortan widmete er sich vollständig dem Komponieren, „es ist für mich das ganz und gar Notwendige“. 2010 folgte mit seiner an der Wiener Staatsoper uraufgeführten Vertonung des Dramas „Medea“ nach dem gleichnamigen Schauspiel von Franz Grillparzer der weibliche Gegenentwurf zu Shakespeares Königsdrama „Lear“: „Eine Frau, die als Emigrantin nicht anerkannt wird“ - Reimann sucht in seinen Stoffen immer wieder den aktuellen Zeitbezug.
Das gilt etwa für den Opernstoff für „Das Schloss“ nach Franz Kafka, der sich um das Schicksal eines Außenseiters dreht. „L'invisible“ nach Maurice Maeterlinck kreist um das mysteriöse Verschwinden von Menschen in einer von Unterdrückung geprägten Welt, „Melusine“ um die Gefährdung der Natur. „Ich möchte die Menschen aufrütteln“, sagte Reimann. Dann sei es auch egal, ob die Vorlagen für die Operntexte aus der Gegenwart stammen oder mehrere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alt sind.
Ihm selbst war die Oper „Troades“ nach einem Drama von Euripides ein besonderes Anliegen, die 1986 die Münchner Opernfestspiele eröffnete. Im Krieg war er mit Bombenangriffen aufgewachsen, hatte als Achtjähriger so seinen Bruder verloren und 1945 die „Nacht von Potsdam“, den Luftangriff auf die Stadt, erlebt. „Mein größter Wunsch war immer, eine Oper gegen den Krieg zu schreiben.“