Kultur

Keksdosen reden nicht sehr kultiviert

Beim Altwarentandler war es nicht so angenehm. Mit wem hätte es reden sollen? Mit dem Kaffeehäferl?

Die Keksdose war zwar mit Renoirs "Regenschirmen" dekoriert, sagte aber trotzdem immer nur unkultiviert: "Verpiss dich!"

Gut, "Die Launenhaftigkeit der Liebe" ist ein Gemälde, und ein Gemälde sollte überhaupt nicht reden.

Tut es aber: In dem gleichnamigen Buch erzählt das (fiktive) Ölbild des (nicht fiktiven) französischen Rokoko-Malers Antoine Watteau seine Geschichte – 300 Jahre, von Ludwig XV. bis zu den Kunsträubern der Nazis.

Das geschieht in mehreren Kapiteln zwischendurch. Sie sind nicht die schlechtesten.

Sehr viel los ist in dem ersten Roman von Hannah Rothschild, deren Name größer auf dem goldenen Buchumschlag steht als der Name des Romans.

Ihrer klingt besser.

Mit Champagner

Die Britin sitzt zurzeit in der Chefetage der National Gallery. In der Kunstszene kennt sie sich aus.

Und immer, wenn es n dem Debütroman um Fragen geht wie: Ist es heutzutage noch möglich, ein Kunstwerk zu betrachten, ohne über seinen Wert nachzudenken?, dann wächst beim Lesen das Interesse. Die Liebesgeschichte muss man halt mitnehmen ...

Dass auch davon erzählt wird, wie im Paris des 18. Jahrhunderts gekocht und gegessen wurde, nimmt man sogar gern mit.

Zwiebelsuppe mit Champagner. Hühnchen in Karamellsoße ...

Und bezüglich Watteau: Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie trügerisch alles ist. Zitat Hannah Rothschild:

"Einst waren seine Werke unglaublich viel wert, zehn Jahre später gab es dafür keine Käufer mehr ..."

Das Buch beginnt damit, dass das kleine Gemälde "Die Launenhaftigkeit der Liebe", das in London zwischen Keksdose und Kaffeehäferl entdeckt wurde, versteigert werden soll.

Der Auktionator rechnet mit mehr als 250 Millionen Dollar.

Nicht, weil es derart gelungen ist. Sondern weil es im Ruf steht, seine Betrachter zu Liebenden zu machen.

Solche Geschichten treiben den Preis der Kunst in die Höhe.

Und diese Geschichte hat den Preis der Autorin Hannah Rothschild in die Höhe getrieben.

Danke, dass sie auf Antoine Watteau (1684–1721) aufmerksam gemacht hat. Sein Pierrot hängt im Louvre; im Internet ist er einfach zu finden: So sieht jemand aus, der zurückgewiesen wurde und im Leben keinen Sinn mehr findet. Man darf weinen bei diesem Anblick.

Man wird nicht an den Wert des Bildes denken.


Hannah Rothschild:
„Die Launenhaftigkeit der Liebe“
Übersetzt von Monika Baark.
DVA.
512 Seiten. 22,70 Euro.

KURIER-Wertung: ****