Kultur

Von den Pygmäen direkt nach Hollywood

Die Frage, wie viele Typen von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren es gibt, kann man in der Verfilmung ja weglassen.

Es muss dann auch nicht unbedingt so ausführlich darüber geredet werden, dass pulmonale Alveolarepithelzellensklerose entsteht, wenn Leucin auf Position 117 durch Serin ersetzt wird.

Man kann alles reduzieren auf den Krieg zwischen Amerika und zwei Kindern, wobei eines – drei Jahre alt – bei den Pygmäen im Kongo lebt und eines – ungefährt acht – in Japan.

Liebe Kinder.

Hohe Stirn

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"Extinction" bedeutet Auslöschung. In Tokio gab es dafür drei Literaturpreise. Im deutschen Sprachraum startete derRoman mit gleich 100.000 Exemplaren.

Der 50-jährige Autor Kazuaki Takano studierte in Los Angeles Film und schrieb bisher an Drehbüchern mit. Sein stärkstes Plus aber ist sein Agent:

Andrew Wylie (mit Büros in New York und London) hat auch Philip Roth, Henry Kissinger, Salman Rushdie, Mo Yan, Milan Kundera, Amos Oz ... unter Vertrag.

"Extinction" bemüht sich um guten Eindruck. Mit Naturwissenschaft wird kaschiert, dass es halt doch "nur" Unterhaltung ist.

Die Evolution schreitet voran, der Mensch hat sich weiterentwickelt. Aber darf er denn das?

Er ist doch Ebenbild Gottes! Viele haben etwas dagegen, wenn sie nicht als Höhepunkt der Schöpfung gelten.

Jedenfalls wächst im afrikanischen Busch ein Bub mit hoher Stirn und mutiertem Gehirn heran, der viel gescheiter ist.

Und friedlich ist er. Er wundert sich wahrscheinlich, dass überall gemordet wird. Hoffentlich denkt er nicht daran, uns deshalb "auszulöschen", damit eine Ruhe ist auf der Welt.

Der US-Präsident im Roman heißt Burns, aber es ist George W. Bush, der Folter für eine Form von Patriotismus hält – also die Krönung, irgendwie.

Autor Takano sieht in ihm zwar die Bedrohung – allerdings nicht, weil er der mächtigste Staatschef ist, sondern ein (sehr) gewöhnlicher Mensch.

Unverzüglich gibt Burns-Bush den Befehl, das afrikanische Kind ausfindig zu machen und zu töten. Denn es könnte ja militärische Codes knacken. (Dass der Bub in Tokio eine ältere, noch g’scheitere Schwester hat, ahnt noch niemand, und wir sagen es nicht weiter.)

Die zwei könnten hilfreich sein, Medikamente gegen bisher unheilbare Krankheiten zu entwickeln. Aber das ist der Politik egal.

Kranke Lunge

Kazuaki Takano hat die Molekularbiologie gut in den Thriller gemischt. Das taugt, und man frisst sozusagen das Buch ...bis zu jenem Zeitpunkt, an dem man nicht mehr darüber hinwegschauen kann: Zu üppig hat der Japaner angerichtet.

Zu penetrant hat er vor allem für Hollywood aufgetischt, damit die Filmleute anbeißen. (Was bereits geschehen ist.)

Man stelle sich vor: Einer der Söldner, die in Afrika die neue Lebensform killen sollen, hat einen dem Tod geweihten lungenkranken Sohn in einem Lissabonner Spital!

Da kann er doch wohl nicht den Präsidentenbefehl ausführen!

"Extinction" ist also leider nicht nur der Kitzel, wer wen auslöscht (schon fällt in den USA der Strom aus ...) – das Buch ist auch das Wettrennen, ob die Zeit reicht für den Achtjährigen.

Und jetzt überlegen wir ganz scharf, ob er überleben wird.

KURIER-Wertung: