Kultur

Karlheinz Essl: "Ertrag hilft, die Sammlung zu erhalten"

Direkt nach der Auktion bei Christie's London gab der zuletzt sehr medienscheue Sammler Karlheinz Essl dem KURIER als einziger Zeitung ein Interview. Darin nahm er ausführlich zu den Zukunftsperspektiven seiner Sammlung und seines Museums in Klosterneuburg Stellung.

KURIER: Wie sind Sie mit der Auktion zufrieden?

Karlheinz Essl: Zuerst muss ich sagen, dass es für meine Frau und mich sehr schwierig war, uns von so wunderbaren Bildern zu trennen. Jedes einzelne der Kunstwerke ist ja auch ein Teil unseres Lebens. Das ist natürlich etwas, das mich traurig stimmt. Die Realität ist aber, dass wir mit dem Ertrag die Sammlung erhalten können. Das Ergebnis war, glaube ich, sehr ordentlich, und hat auch unsere Erwartungen erfüllt. Für mich ist es auch ein Zeichen der Wertschätzung und der Qualität der Sammlung insgesamt. Auch der Response, den ich von vielen Sammlerkollegen bekommen habe, war überwältigend. Das ist dann etwas, das schon eine gewisse Bestätigung und Befriedigung gebracht hat.

Wenn ich Ihre Euphorie ein wenig bremsen darf: Man könnte sagen, dass auch mehr drin gewesen wäre - gerade die beiden Bilder von Gerhard Richter, die im Vorfeld als Zugpferde beworben wurden, sind nicht so gut gegangen wie erwartet.

Dafür hat es wieder andere Kunstwerke gegeben, die weit über den hohen Schätzwert gegangen sind. Es ist richtig, dass Richter nicht das gebracht hat, was man sich erwartet hat. Warum, weiß ich nicht - das ist bei einer Auktion nie genau vorherzusagen. Aber man muss es im Schnitt sehen. Und ungefähr 50 Prozent der Kunstwerke sind über den hohen Schätzwert hinaus verkauft worden. Das ist schon eine enorme Leistung, und das zeigt auch die Qualität der Arbeiten.

Es gab zuletzt einen Deal, bei dem ein gewisser Betrag (mehr als 100 Millionen Euro, Anm.) an die baumax-Gläubigerbanken geflossen ist und eine neue Trägerfirma für die Sammlung (SE Sammlung Essl GmbH, Anm.) gegründet wurde. Hans-Peter Haselsteiner hat 60 Prozent dieser Firma übernommen, Sie mit Ihrer Familie 40 Prozent. Wie wird der Auktionserlös nun aufgeteilt?

Mit den Banken ist längst alles geklärt, die Banken haben ihr Geld bekommen. Mit dem Erlös wird nun dieser Kredit - das Geld, das den Banken zugeflossen ist - abgebaut, so dass der Rest noch bestehen bleibt. Das ist das, was die neue Gesellschaft noch zu berappen hat - wie immer das auch ausschauen wird. Wir haben kein Problem, das läuft über 10-15 Jahre hinweg, wo wir vielleicht im Laufe der Zeit das eine oder andere vielleicht wieder verkaufen können. Aber da gibt es absolut keinen Zeitdruck dafür. Für mich ist wichtig, dass die Sammlung absolut gesichert ist. Das ist evident. Es sind 44 Arbeiten hier verkauft worden - aber ein Drittel der Sammlung, fast 2000 Arbeiten, sind von Internationalen Künstlern. Sie dürfen nicht vergessen, dass von den meisten Künstlern, die wir hier verkauft haben, noch ordentliche Bestände vorhanden sind.

Wenn Sie mit Herrn Haselsteiner einen Betrag aufgenommen haben, um die Banken zufriedenzustellen - heißt das, dass auch Sie privat Geld in die Hand genommen und Ihre Sammlung in gewisser Weise "nochmal gekauft" haben?

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Das ist ein Deal, der zwischen Haselsteiner und uns abgeschlossen ist. Wie das im Detail läuft, darüber möchte ich jetzt nicht weiter sprechen.

Hält die neue Gesellschaft die gesamte Sammlung Essl?

Ja, die gesamte Sammlung.

Der Betrieb des Museums ...

.... wird in Zukunft von der SE Sammlung Essl GmbH getragen werden.

Und in die fließen auch Immobilienerträge, die, wie Sie mir einmal sagten, bisher den Betrieb des Museums stützten?

Nein, das hat damit jetzt nichts mehr zu tun, in der Gesellschaft gibt es keine Immobilien mehr.

Sie schließen nicht aus, weitere Kunstwerke zu verkaufen, um den Betrieb des Museums zu sichern. Wie stellen Sie sich das vor?

Wie wir das mit dem Betrieb machen, ist jetzt noch nicht ganz geklärt. Da gibt es noch Gespräche, die mit Herrn Haselsteiner und mir zu führen sein werden.

Bei Sammlungsverkäufen von Museen, dem so genannten "deaccessioning", gilt normalerweise: Man verkauft Kunst nur, um wieder Kunst zu kaufen.

Wenn einmal alles konsolidiert ist, soll auch die Sammlung weitergeführt werden. Jetzt ist es einmal wichtig, alles zu konsolidieren.

Was stimmt Sie positiv, dass diese Rechtsform Bestand haben wird - auch nach Ihrem Tod?

Da gibt es in der neuen Gesellschaft Vereinbarungen, die auch über unser Zeitliches hinaus fixiert sind.

Es hieß, dass es nach der Auktion auch eine "Nachbesserung" für die Banken geben könnte...

Es gibt keine Nachbesserung.

Wie sehen Sie den Zeitraum für neue Ankäufe?

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Wir brauchen jetzt zwei, drei Jahre, um uns richtig zu "settlen", dann werden wir einen neuen Anlauf machen. Wichtig ist mir auch, die junge Kunst zu sammeln, um junge Künstler zu unterstützen und zu fördern.

Wer entscheidet über weitere An- und Verkäufe?

Wir entscheiden das gemeinsam mit Herrn Haselsteiner.

Wie sehen Sie aus heutiger Sicht ihr Ankaufs-Angebot an die Republik?

Ich bin heute froh, dass es nicht dazu gekommen ist, muss ich ehrlich sagen. Mit Haselsteiner das Museum und die Sammlung weiter zu betreiben, ist mir viel angenehmer als mit dem Staat und all den Problemen, die das mit sich bringt - den politischen Einflüssen, den Querschüssen von allen Seiten. Ich glaube, das ist die beste aller möglichen Lösungen, und darüber bin ich mehr als glücklich.

Das ist nun schon das zweite Mal, dass Sie von der öffentlichen Hand enttäuscht sind - auch vor dem Bau Ihres Museums gab es eine Debatte darüber, wo ihre Sammlung öffentlich gezeigt werden sollte.

Ja. zuerst war es das Museumsquartier, dann das Künstlerhaus - und dann war ich auch froh, dass ich das nicht gemacht habe und wir es selbst in die Hand genommen haben.

Ein Museum zu betreiben, ist mit Auslagen verbunden. Sie haben Personal, sie betreiben einen Gratis Bus-Shuttle, machen Vermittlungsprogramme. Für mich ist die Frage, wo da langfristig das Geld herkommen soll, nicht beantwortet.

Das ist eben eine Aufgabe, die Haselsteiner und ich zu schultern haben werden. Es ist unser Ziel, dass wir das Museum weiter betreiben und dass die Sammlung im Wesentlichen erhalten bleiben soll. Vielleicht wird man das eine oder andere nochmal verkaufen müssen, das will ich gar nicht ausschließen - aber da müssen eben Ressourcen geschaffen werden. Wie immer das aussieht, kann ich im Augenblick noch nicht beantworten.

Und Sie wollen dabei langfristig ohne die öffentliche Hand auskommen?

Das werden wir sehen, ich will nichts ausschließen - aber wir werden ein Finanzierungskonzept vorlegen, das auch langfristig angelegt ist.

Sie haben in den vergangenen Jahren im Rahmen eines "Collector's Club" auch Werke für Dritte erworben. Sind diese Werte in die neue Gesellschaft übergegangen, wie wird damit verfahren?

Das war schon seit fünf Jahren abgeschlossen. Das war eine gewisse Zeit, in der ich das gemacht habe, weil auch Leute zu mir gekommen sind und gesagt haben: "Ich interessiere mich auch für Kunst, wie baue ich eine Sammlung auf?" Ich habe dann Leute beraten und gesagt: Wenn ich Kunstwerke kaufe, kann ich auch für sie etwas erwerben. Das ist dann über einige Jahre passiert, aber das ist seit fünf oder sechs Jahren abgeschlossen.

Wo sind diese Kunstwerke jetzt?

Na, das haben die Leute bei sich zu Hause hängen. Die haben kleine Sammlungen, im Wesentlichen zur Ausgestaltung der eigenen Wohnung.

Laut Standard und Handelsblatt könnten wegen der Rückkaufoptionen, die Sie diesen Käufern einräumten, noch große Belastungen auf Sie zukommen.

Es ist ja schön, wenn sich Menschen einmal über uns Sorgen machen. Aber diese Sorgen gibt es für uns absolut nicht.

46.861.500 Pfund, 59.420.382 Euro – so lautet das offizielle Gesamtergebnis der AuktionEssl – 44 Works“ am Montagabend in London. In dieser Summe sind die Prämien, die das Auktionshaus auf die „Hammerpreise“ aufschlägt, inkludiert. Die Summe ohne Prämien belief sich auf 40.060.000 Pfund, rund 51 Millionen Euro.

Diese Summe kann auch nicht exakt als jener Betrag genommen werden, der der Trägergesellschaft der Sammlung Essl zufließt. So ist der Erlös für das Gemälde „Netz“ von Gerhard Richter nicht inkludiert: Im Saal wurden für das auf sieben bis zehn Millionen Pfund geschätzte Bild lediglich 5,8 Millionen geboten – zu wenig für einen Verkauf. Doch da Christie’s Essl im Vorfeld eine Erlössumme garantiert hatte, erwarb das Haus im Gegenzug Eigentum an nicht verkauften Werken – und konnte das Bild außerhalb der Auktion um 5,5 Millionen Pfund (inkl. Kommission) veräußern.

Ein monumentales Foto von Andreas Gursky kam überhaupt gar nicht erst zur Auktion – es wurde vermutlich privat verkauft, der Preis bleibt unbekannt. Für drei weitere nicht versteigerte Werke – ein mehrteiliges Bild von Martin Kippenberger, eine Keramik von Eduardo Chillida und eine Schweine-Skulptur von Paul McCarthy – könnten sich im Nachverkauf noch Abnehmer finden. Wieviel Geld am Ende der Essl-Sammlung zufließt, ist ohne Kenntnis der Arrangements daher nicht exakt zu beziffern.

Überblick der Highlights

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Künster Werk Hammer-Preis
Antony Gormley Aggregate 1.050.000 Pfund
Cindy Sherman Untitled Film Still, #24 320.000 Pfund
Rosemarie Trockel O.T. 420.000 Pfund
Sigmar Polke Liebespaar 1.450.000 Pfund
Georg Baselitz Fingermalerei 1.300.000 Pfund
Albert Oehlen Ohne Titel (Untitled) 520.000 Pfund
Martin Kippenberger Ohne Titel (Aus der Serie Hand-painted pictures) 2.500.500 Pfund
Juan Munoz One Laughing at the Other 320.000 Pfund
Bernd & Hilla Becher Fördertürme England 200.000 Pfund
Gerhard Richter Wolken (Fenster) 5.500.000 Pfund
Georg Baselitz Adler 500.000 Pfund
Sigmar Polke Indianer mit Adler 4.500.000 Pfund
Alighiero Boetti Oggi è l’undicesimo giorno del sesto mese dell’anno 1000novecentoottantotto 260.000 Pfund
Martin Kippenberger Terroristennachwuchs vom südlichen Mittelmeer Passed
Martin Kippenberger Ohne Titel (Aus der Serie 'Fred the Frog') 480.000 Pfund
Sigmar Polke Für den Dritten Stand bleiben nur noch die Krümel 3.800.000 Pfund
Georg Baselitz Trauerseeschwalbe 400.000 Pfund
Georg Baselitz Meine neue Mütze 1.200.000 Pfund
Neo Rauch Bergfest 450.000 Pfund
Louise Bourgeois Spider Home 440.000 Pfund
Albert Oehlen Die Pfeifenden von 390.000 Pfund
Sigmar Polke Arcimi Boldi 900.000 Pfund
Gerhard Richter Netz Passed
Sigmar Polke Ohne Titel (Sommerbilder I-IV) No. 1-4 3.500.000 Pfund
Maria Lassnig Zwei Maler, drei Leinwände 150.000 Pfund
Friedensreich Hundertwasser Der Siebente Bezirk 220.000 Pfund
Frank Stella 6 Scramble: Ascending Yellow Values/Descending Spectrum 750.000 Pfund
Morris Louis Eta 1.550.000 Pfund
Frank Stella D. Scramble: Ascending Green Values/Ascending Spectrum 750.000 Pfund
Morris Louis Gamma 550.000 Pfund
LUCIO FONTANA Concetto spaziale, Attesa 690.000 Pfund
Eduardo Chillida Mural G-338 200.000 Pfund
Gunther Uecker Spirale 500.000 Pfund
Pierre Soulages Peinture 92 x 73 cm, 9 mars 320.000 Pfund
Eduardo Chillida Lurra G-105 Passed
Pierre Soulages Peinture 162 x 130 cm, 26 mai 1963 1.000.000 Pfund
Michelangelo Pistoletto Pittore 280.000 Pfund
Andreas Gursky Kuwait Stock Exchange I 500.000 Pfund
Anish Kapoor Untitled 680.000 Pfund
Andreas Gursky Hong Kong, Grand Hyatt Park zurückgezogen
Sean Scully Enter Black 500.000 Pfund
Sean Scully Human Nature 520.000 Pfund
Cecily Brown Ha Ha Fresh! 500.000 Pfund
Paul McCarthy Mechanical Pig Passed