Kultur

Das Universum macht halt seine Arbeit

Es war einmal eine Abendgesellschaft, zwei Ehepaare, man trank und war lustig, und plötzlich sagte jemand:

"Wir sprechen nie über die Liebe."

"..."

"..."

"..."

"Genau das meine ich."

Und man drückte sich auch weiterhin vor dem Thema, indem man über Sex zu plaudern begann.

So ließ Julian Barnes die Liebe sterben (in "Unbefugtes Betreten", 2011), aber damals geschah das in heiteren Dialogen.

Die sehr persönliche Liebesgeschichte in seinem aktuellen Buch "Lebensstufen" ist ohne jeden Schutz von Ironie geschrieben:

Die Südafrikanerin Pat Kavanagh, mit der der Engländer 30 Jahre zusammen war, starb an Krebs.

Sein "Herzblut".

Sein "Lebensnerv".

Er ist wütend auf die Gleichgültigkeit des Lebens, weil es ohne Pat einfach weitergeht, bis es zu Ende ist.

Das Universum macht halt seine Arbeit ... ist das ein Trost?

Da ist schon eher "Lebensstufen" einer.

Das Buch zähmt die Trauer – wie es in den vergangenen Jahren nur dem Roman "Wenn du wiederkommst" der Linzerin Anna Mitgutsch gelungen ist (als Taschenbuch um 10.30 Euro).

Man wird beim Lesen durchgeschüttelt – und fühlt sich trotzdem geborgen.

Frisur

Julian Barnes – Booker-Preis, Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur, immer Nobelpreis-Verdacht – hat für seine Totenklage eine Form gewählt, die überrascht.

Dass der heute 68-Jährige seine Prosa wie Haare behandelt – er kämmt sie, damit sie glänzt –, ist ja nichts Neues.

Diesmal entsteht (gewissermaßen) aus schrecklichem Anlass eine Festfrisur, indem Barnes zunächst vom Ballonfahren erzählt, ganz sachlich ...

(Colonel Fred Burnaby reiste allein in einem rot-gelben Ballon, er nahm Roastbeef-Sandwiches und Zigarren mit.)

... aber bald macht das Sinn und wirkt tief: Weil es um Dinge bzw. Menschen geht, die zusammengebracht wurden – im Sinn von: Sie haben sich vereinigt.

Landung

Das sind Himmel und Erde. Das sind Korbgeflecht und Ballon.

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Damit sind auch die Luftfahrt gemeint und die Fotografie, was Bilder "von oben" ermöglicht hat.

Das hätten auch die Schauspielerin Sarah Bernhardt und der oben erwähnte Colonel Burnaby, Vorstandsmitglied der Londoner Aeronautical Society, sein können. Sie waren einander sehr zugetan.

Aber wenn wir uns emporschwingen zu Kunst, zu Religion ... zu Liebe, können wir abstürzen. Verbrennen.

"Eine weiche Landung ist selten", schreibt Julian Barnes und ist nun dort, wo er hin will / muss:

"Jede Liebesgeschichte ist eine potenzielle Leidensgeschichte. Wenn nicht gleich, dann später. Wenn nicht für den einen, dann für den anderen. Manchmal auch für beide."

Es ist bekannt, dass er nicht an Gott glaubt.

Aber er vermisst ihn.

KURIER-Wertung: