Kultur

Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger: "2026 ist Schluss!"

"Stärker als die Pandemie ist die Macht der Phantasie." Sprüche wie dieser bildeten heute, Mittwoch, den Hintergrund, als Direktor Herbert Föttinger und Stiftungsvorstand Günter Rhomberg zur aktuellen Lage des Theaters in der Josefstadt sprachen und Pläne für die kommenden zwei Saisonen präsentierten. Eigentlich plane er ja für die nächsten fünf Jahre, denn er sei bis 2026 bestellt, so Föttinger. "2026 ist Schluss. Ich werde dann definitiv aufhören. 20 Jahre sind genug!"

Er werde dann "der zweitlängstdienende Direktor nach Josef Jarno" sein, der 1899 bis 1923 das Haus geleitet habe, sagte der Direktor. "Jarno war von Anfang an mein Vorbild für dieses Haus." Zum 15-Jahr-Jubiläum des gegenwärtigen Führungstrios (gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Alexander Götz) gab er sich durchaus zufrieden und wünschte sich gleich die passende Schlagzeile: "Wir machen nicht alles gut, aber wir machen verdammt viel gut. Das soll die Überschrift sein." Die Josefstadt habe sich als "Uraufführungs- und Erstaufführungstheater", als "Kreißsaal für Gegenwartstheater", als "das Theater der österreichischen Literatur sehr gut positioniert. Wir sind das österreichische Nationaltheater!"

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Auch Rhomberg konstatierte zu diesem "kleinen Jubiläum", das im Herbst u.a. mit einem großen, zweibändigen Buch von Robert Stalla gefeiert wird, "eine sehr positive Entwicklung", die das Haus in 15 Jahren gemeinsamer Verantwortung" genommen habe. "Ohne die Pandemie hätten wir im Prinzip kein Problem. Jetzt haben aber alle ein Problem." Die Josefstadt als größtes Privattheater des Landes mit jährlich rund 10 Mio. Erlösen, die großteils aus Kartenverkäufen stammen, sei durch die Lockdowns besonders stark getroffen worden. Heuer gab es nur 1,4 Mio. Euro Erlöse, weitere 1,4 Mio. Euro konnten eingespart werden. "Gesamt gesehen stehen wir noch vor der endgültigen Bilanzanalyse", sagte Rhomberg, der versicherte, alle einschlägigen Hilfstöpfe würden "bearbeitet", man wisse aber noch nicht, wie viel man von ihnen lukrieren könne. "Wir wissen daher noch nicht, wie groß unsere Lücke ist." Man wisse nur, dass die Subventionsgeber am Ende gefordert sein würden. "Wir sind unverschuldet in eine Situation gekommen, die bereinigt werden muss." Alle seien aber guten Willens. Die Pandemie sei insgesamt "eine sehr unangenehme Situation" für das Haus und auch für die Mitarbeiter gewesen, die "erheblichen, auch menschlichen Belastungen" ausgesetzt gewesen seien.

Das Motto für die nächsten, die letzten fünf Jahre seiner Direktion hat Föttinger von Stephane Hessel: "Empört Euch!" Theater müsse auch politischen Widerstand leisten und politisches Bewusstsein schärfen, ein "Stachel im Arsch der Mächtigen" (ein anderer Titel-Vorschlag des Direktors, Anm.) sein. Dafür habe er mit David Bösch, der 2022/23 mit "Ein Volksfeind" eine politische Ibsen-Trilogie beginnt, "einen neuen Verbündeten gefunden". Ansonsten setzt er auf bewährte Hausregisseurinnen und -regisseure wie Janusz Kica oder Stephanie Mohr und setzt auf intensive Zusammenarbeiten u.a. mit Elmar Goerden (er soll mit "Medea" eine "Grillparzer-Renaissance einleiten", Stephan Müller und Claus Peymann, der wie bekannt mit Ionesco sein Kammerspiele-Debüt geben wird. "Peymann erobert die Kammerspiele! Wer hätte das vor 20 Jahren gedacht." Der Ex-Burgtheaterdirektor schickte zur Pressekonferenz eine SMS, in der er die Josefstadt als "das beste Theater der Stadt Wien" (die nächste mögliche Schlagzeile) bezeichnete und Föttinger für jede Erwähnung seines Namens eine Rose versprach. Föttinger ließ sich nicht lange bitten: "Peymann, Peymann, Peymann, Peymann..."

Zehn Neuproduktionen im Theater in der Josefstadt sowie sieben Neuproduktionen in den Kammerspielen der Josefstadt sind für die 16. Spielzeit der Direktion Föttinger annonciert, davon drei Uraufführungen und drei deutschsprachige Erstaufführungen. Mit dem aus dieser Saison verschobenen Eröffnungsstück, der Schnitzler-Dramatisierung "Der Weg ins Freie" werde eine Trilogie über Vertreibung und Rückkehr begonnen, die mit der Mitterer-Uraufführung "Zemlinsky" und Tom Stoppards "Leopoldstadt" fortgesetzt werde. Der britische Dramatiker schickte aus London eine Grußbotschaft: "Als ich das Stück geschrieben habe, dachte ich mehr als einmal, wie wunderbar es wäre, wenn das Stück in Wien gezeigt würde. " Das im Jänner 2020 in London uraufgeführte Stück sei "eine Challenge" für die Josefstadt, meinte Föttinger: "25 Schauspieler auf der Bühne!"

Die Kammerspiele der Josefstadt sieht Föttinger auf gutem Wege, aber noch nicht dort, wo er sie haben möchte. "Die brauchen noch eine kleine Schubkraft ins 21. Jahrhundert." Er habe noch fünf Jahre Zeit, um guten Grund zu liefern, dass der gegenwärtige, ihn wurmende Wikipedia-Eintrag "gepflegtes Boulevardtheater" geändert werde. Und fünf Jahre Zeit hat er auch noch, seinen Traum von einer "Josefstadt-Box", einer Experimentierbühne für 49 Zuschauer, zu realisieren. "Ich versuche, Donatoren und Mäzene zu gewinnen. Glauben Sie mir, es ist gut investiertes Geld. Aber vielleicht bleibt es ein unerfüllter Traum."

Eine Zusammenarbeit mit anderen großen Wiener Theatern gebe es nicht ("Jeder stirbt für sich allein."), bei Streaming komme meist "künstlerischer Unsinn" heraus ("Ich halte vom ganzen Streaming gar nichts. Ich finde es nur schlecht.") und seine Revoluzzer-Attitüde zu Beginn der Pandemie sei einem falschen Eindruck geschuldet gewesen, versicherte Föttinger: "Ich bin nicht der Revoluzzer gewesen, ich wollte nur manches richtigstellen. Das hat bei mir manchmal revolutionäre Klänge. Hätte Gott das nicht so gewollt, hätte er mich anders gebaut".