Kultur

Josefstadt: "Dann geht es an die Substanz"

Es ist ein Hilferuf, aber kein Jammern", sagt Günter Rhomberg, Stiftungspräsident des Theaters in der Josefstadt. Der Hilferuf: Ab 2012 kann das Theater die steigenden Personalkosten nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren. Man braucht höhere Subventionen. Zur Zeit geben Stadt Wien und Bund gemeinsam 13,5 Millionen Euro.
Die Belegschaft ist laut Betriebsrat "geschockt". Das Führungstrio der Josefstadt - Rhomberg, Direktor Herbert Föttinger und der kaufmännische Leiter Alexander Götz - nehmen im KURIER-Interview erstmals Stellung.

KURIER: Die Betriebsräte der Josefstadt haben in einer Aussendung Alarm geschlagen. Wovon genau ist die Belegschaft so "geschockt"?
Günter Rhomberg: Wir mussten unseren Mitarbeitern die Situation genau darlegen. Laut Gemeindebediensteten-Kollektivvertrag, dem unsere 360 Kräfte unterliegen, müssen wir die Gehälter im Jahr 2012 wahrscheinlich um zwei bis drei Prozent erhöhen. Das sind 350.000 bis 500.000 Euro. Das können wir uns nicht leisten. Das ist ein strukturelles Problem, das sich auch in den Folgejahren fortsetzen wird. Wir haben den Mitarbeitern gesagt, dass wir für sie kämpfen. Wenn wir nicht bedeutend mehr Geld bekommen, kann der nächste Schritt nur Personalabbau sein. Dann müsste man alle möglichen Abteilungen in Frage stellen oder ausgliedern. Dafür sind wir nicht angetreten.

Können nicht intern noch weitere Einsparungen erzielt werden?
Rhomberg: Wir wollen die Josefstadt nicht herunterwirtschaften. Unser Problem in der Argumentation ist, dass wir kein Problem haben. Alle Zahlen sind hervorragend. Wir haben 330.000 Besucher bei 660 Aufführungen, eine durchschnittliche Auslastung von 90 Prozent. Wir haben keine Schulden. Wir haben die größten Eigeneinnahmen aller deutschsprachigen Theater. Wir nehmen an der Kasse pro Jahr acht Millionen ein und haben eine Eigendeckung von mehr als 40 Prozent. Alle anderen liegen zwischen 19 und 24 Prozent. Burg- und Akademietheater nehmen 20 Prozent weniger ein als Josefstadt und Kammerspiele, obwohl sie 50 Prozent mehr
Sitzplätze haben. Da stimmt doch etwas nicht.

Verlust im künstlerischen Budget

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Trotzdem: Gehaltserhöhungen können Sie doch nicht überraschen. Was ist die Sondersituation in der Josefstadt im Vergleich mit internationalen Bühnen, dass es an ihrem Haus so knirscht?
Rhomberg: Es ist im Ausland nie ein Thema, ob die Theater die Lohnindexsteigerungen abgegolten bekommen.
Alexander Götz: Es wurde auch bei uns bisher regelmäßig nach drei Jahren der Sockelbetrag, den die Subventionsgeber gegeben haben, erhöht, um die darauffolgenden Jahre das Auslangen zu finden. Wir haben seit sechs Jahren einen realen Verlust im künstlerischen Budget, weil diese Mittel nicht nach oben hin angepasst wurden.
Rhomberg: Wir haben bewiesen, dass man einsparen kann, ohne die Qualität zu verringern - eine gewisse Zeit lang. Dann geht es an die Substanz. Man muss auf die betriebswirtschaftlichen Abläufe im Theater schauen. Damit kann man Geld für die Kunst freimachen. Das ist in der Josefstadt stärker passiert als in anderen Theatern. Aber wenn wir 2012 eine halbe Million mehr brauchen, dann brauchen wir im nächsten Jahr schon doppelt so viel und dann wieder mehr. Bis 2015 fehlen 2,3 bis drei Millionen. Das ist uneinspielbar.
Götz: Die Kulturpolitiker haben aber ab 2013 lediglich 380.000 Euro mehr pro Jahr in Aussicht gestellt.

Herr Föttinger, müssen Sie dann billiger produzieren?
Herbert Föttinger: Ich bin fünf Jahre hier Direktor. Ich bin vielleicht auch ziemlich arrogant. Aber ich erlaube mir diese Arroganz, weil ich glaube, ich habe eine ziemlich gute Direktionszeit hinter mir. Weil ich dieses Haus verändert habe und trotzdem Zahlen eingefahren habe, von denen andere nur träumen können. Ich habe etwas Atypisches gemacht, was in der Josefstadt nie erwartet wurde, und trotzdem acht Millionen Euro eingespielt. Da möchte ich gerne wissen, wer das noch kann. Ich musste mit dem selben Budget auskommen wie meine Vorgänger. Und wie die seit 1988 gehaushaltet haben, darüber möchte ich nicht reden. Nicht einer allein hat Schulden gemacht.

Trotzdem gibt es jetzt wieder finanzielle Probleme - wie schon früher in der Josefstadt immer wieder.
Götz: Davon sind wir Lichtjahre entfernt. Das waren Schulden, die wir uns zum Teil auch vielleicht selbst erarbeitet haben. Jetzt haben wir ein saniertes Haus, einen sanierten Betrieb.
Föttinger: Ich muss mich niemandem erklären. ,Könnten Sie es auch billiger machen?', ist eine schlechte Frage. Darum geht es überhaupt nicht! Es geht nur darum, wie man die Qualität dieses Hauses steigern kann. Und nach fünf Jahren erwarte ich von meinen Kulturpolitikern, dass sie sich viel mehr für dieses Haus einsetzen. Daher bin ich sehr traurig, dass ich mich in einer guten Position verteidigen muss. Die Wiener Kulturpolitik kümmert sich nicht um ihre zwei großen Flaggschiffe, die Josefstadt und das Volkstheater.

Was passiert, wenn es nicht mehr Subvention gibt? Ab wann kommen Einschnitte?
Föttinger: Darüber will ich gar nicht nachdenken. Aus.
Götz: Man kann 2012 noch betrieblich lösen. Aber es ist ein strukturelles Problem, für das man zwischen Bund und Wien eine Lösung finden muss.
Rhomberg: Es hieß von Seiten der Kulturpolitik: Über Kündigungen im Theater wollen wir nichts lesen. Aber wo sollen wir sonst sparen bei 80 Prozent Personalkosten?

Konkret: Was fordern Sie?
Föttinger: Dass die Kulturpolitik sich überlegt, wohin sie mit der Josefstadt will ...außer man beschließt, aus uns ein Off-Theater zu machen.
Rhomberg: Wir sind vom Kulturstadtrat zuletzt weggeschickt worden. Ich vermisse den Kampfgeist, Mailath-Pokorny müsste sich für dieses Haus mehr einsetzen.

Gibt es schon konkrete Auswirkungen?
Rhomberg: Im Aufsichtsrat haben wir Juristen, die geben Beschlüssen für die Zukunft des Theaters keine Zustimmung mehr. Aus Angst vor Organhaftung.
Föttinger: Es gab eine schlimme Wende in diesem Land. Ab 2000 wurde immer nur noch von gedeckelten Budgets gesprochen. Da begann ein ganz großes Dilemma. Aber Kultur darf man nicht deckeln.

Das Theater: Mitten im Achten

Finanzen
Das Theater in der Josefstadt, zu dem auch die Kammerspiele gehören, wird zu 53 Prozent von der Stadt Wien und zu 47 Prozent vom Bund subventioniert. Zur Zeit bekommt es insgesamt 13,5 Millionen Euro pro Jahr. Direktor ist Herbert Föttinger, sein Vertrag läuft bis 2016.