Joan Baez in Wien: Ein Nostalgietrip
Wenn ich heute auf die Bühne gehe, repräsentiere ich für die Leute eine Periode des Aufbruchs, die für sie große Bedeutung hatte, die sie vielleicht gerne zurückhätten."
Im KURIER-Interview machte sich Joan Baez keine Illusionen darüber, dass ihre Auftritte heute reine Nostalgie sind. Nostalgie, die der Ikone der Protestsong-Bewegung euphorischen Auftritts-Applaus brachte, als sie Dienstagabend in der Wiener Stadthalle auf die Bühne kam.
Was folgte war trotz Balladen-Lastigkeit überraschend kurzweilig. Multi-Instrumentalist Dirk Powell (Klavier, Bass, Gitarre, Banjo, Mandoline, Geige) und Baezs Sohn Gabriel an den Percussions brachten Abwechslung in die Begleitung, Gastsängerin Marianne Aya Omac, mit der Baez ein paar spanische Songs sang, Tempo in das Set. Das große Manko: Mit 71 klingt Baezs Stimme, einst ein makelloser Sopran, in den Höhen gebrochen und kraftlos, da mischt sich gelegentlich sogar ein falscher Ton ein, wenn sie sich in die Kopfstimme zwängt. Aber das weiß Baez, hat viele Songs in tiefere Lagen transponiert, lässt "Joe Hill" deshalb ganz aus.
Es war aber auch in den Sixties nie allein die Stimme, die Baez ausgemacht hat, sondern ihre Würde und Integrität im Kampf für Frieden und Freiheit. Genau dafür wurde sie nach der Show mit dem "Goldenen Rathausmann" ausgezeichnet. Und genau deshalb herrschte am Ende eine berührend feierliche Stimmung: Die Klassiker der Aufbruchs-Periode von "Blowing In The Wind" bis "Imagine" zelebrierten die Wiener im vor der Bühne zusammengelaufenen Massenchor.
KURIER-Wertung: *** von *****