Jo Nesbø: Der Vampirist lädt auf ein Fläschchen Mineralwasser ein
Von Peter Pisa
Es geht um einen Serienkiller. (So einen braucht kein Krimileser mehr.) Die Vergangenheit holt den Kommissar ein. (Hatten wir das nicht auch schon 100-mal?)
Aber der Kommissar heißt Harry Hole. "Durst" ist Band elf der Bestseller-Reihe, die vor zwei Jahrzehnten begonnen hat. Der Norweger Jo Nesbø hatte, wie er dem KURIER verriet, bloß einen Krimi ausprobieren wollen und sich in das Genre verliebt.
Sehr rasch wurde sein Held zum legitimen Nachfolger des schwedischen Kollegen Wallander, dessen Alkoholproblem erbte er. 30 Millionen Bücher wurden bisher verkauft. Der aktuelle Titel "Durst" bezieht sich nicht auf Whisky – Zitat Seite 618: "Harry nahm das Glas und schüttete den Inhalt hinter sich ins Spülbecken" –, sondern es ist Durst auf Blut.
Ein sogenannter Vampirist tötet Frauen, die er über die Dating-Plattform Tinder kennenlernt. In einem Fall lädt er das spätere Opfer großzügig auf eine Flasche Mineralwasser ein.
Danach packt er eiserne Zähne aus, um die Frau in die Oberschenkelpulsader zu beißen.
Zu Testzwecken hat der Genießer einmal eine Spalte Zitrone dazugegeben.
Es gibt (wieder) schrecklich brutale Szenen, und wenn man weiß, dass Jo Nesbø Horrorfilme nicht aushält, ist man verwundert – Psychologen wundert es bestimmt weniger. Nesbø erzählte, wie er irrtümlich beim TV-Schauen in einen Horrorfilm geraten sei, er habe sich wegdrehen müssen. Der 57-Jährige braucht alles schön ordentlich, und so sieht er seine Rolle als Schriftsteller. Es gibt Chaos, und er räumt auf, er wischt weg.
Beislwirt
Zufrieden sind diesmal alle, weil Harry Hole keinen Supermann spielen muss, der mehrere Schussverletzungen locker wegsteckt. Seit Band zehn, "Koma" (2013), ist er verheiratet und unterrichtet in Oslo an der Polizeihochschule. Am Ende von "Durst" ist er Beislwirt.
"Schneemann" (= Band sieben) kommt mit Michael Fassbender in der Hauptrolle noch im Oktober ins Kino. Auch in diesem Roman geht in Oslo ein Serienmörder um, und auch in diesem Roman fällt nicht auf, dass es sich um Fast Food handelt.
Jo Nesbø:
„Durst“
Übersetzt von
Günther Frauenlob.
Ullstein Verlag.
624 Seiten.
24,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****