Jérôme Junod: Mein Lieblingsbuch
Ich war sechzehn und schlug das Buch mit dem merkwürdigen Titel ahnungslos auf. Da stieß ich auf Sätze, die mich heute noch begleiten: „die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, „den Tod erlebt man nicht“... – dazwischen staubtrockene Logikformeln. Ich war fasziniert, und heute noch lässt mich Wittgensteins Werk nicht los. Es geht dabei um die Möglichkeit des Denkens, um das Erfassen der Welt, vor allem aber um das Unaussprechliche, das unser Leben durchdringt – und um die Schwierigkeit, es mit Worten zu fassen. Immer wieder blättere ich im Tractatus, wie auf Besuch bei einem alten Freund, der zugleich Mathelehrer und Zen-Dichter wäre. Und denke über die Grenzen meiner Sprache nach.
* Der Regisseur und Autor hat mit seinem Stück „Morsch“ Premiere gefeiert: Nestroyhof Hamakom, bis 29. Mai, Karten 0676/562 55 02, www.jeromejunod.ch