Kultur

Montreux: "Der Rolls-Royce aller Festivals"

Die Statue von Freddie Mercury, dem seit fast 25 Jahre toten Sänger von Queen, umlagerten wie jeden Abend auf der Seepromenade die Selfie-Fotografen. Sehr lebendige Stammgäste hingegen sorgten gestern Nacht für den Ausklang beim Montreux Jazz Festival im Auditorium Stravinski: Deep Purple. Die Rock-Band hatte sich schon, als das Casino in Montreux beim Konzert von Frank Zappa im Dezember 1971 Feuer fing, zu ihrem Hit "Smoke On The Water" inspirieren lassen.

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Der Name Jazz ist sowieso nicht Programm im Schweizer Musiker-Mekka am Genfer See mit Alpenblick: Da lässt man neben Jazz- schon lange auch Pop- und Rock-Musiker auf die Bühne. Im Lauf der Zeit kam auch die Weltmusik dazu. Aber vielleicht macht gerade die Vielfalt den Erfolg des zweitgrößten Festivals dieser Art weltweit aus.

Ein Event für alle Sinne

Heuer hatten die mehr als 400 Konzerte auf 15 Bühnen sowie am Seeufer und in den Parks, sogar in Zügen und auf Ausflugsschiffen, mehr als 230.000 Besucher an 16 Tagen. 90.000 Tickets wurden verkauft.

"Für mich ist Montreux der Rolls-Royce unter allen Festivals weltweit", sagte der Musikproduzent Quincy Jones, der den Jazz als eine Art Klassik der amerikanischen Pop-Musik sieht. Er kommt jedes Jahr ein paar Tage an den Genfer See und sagt jedes Mal: "Ich bin zurück zu Hause."

Die Seele des Festivals war für mehr als 40 Jahre der 2013 verstorbene Gründer Claude Nobs. Ein Visionär. "Er hat ein halbes Jahrhundert die Musikgeschichte mitgeprägt. Er war ein König im Musikgeschäft. Er wollte den Musikern immer möglichst viel Raum für Kreativität geben", sagt der neue Festivalleiter Mathieu Jaton.

"So ist es bis heute. Wer hier auf die Bühne geht, weiß, dass er mehr oder weniger tun und lassen kann, was er will. Deshalb gab und gibt es viele spezielle Konzerte und Jam Sessions, weil die Musiker sich wohlfühlen."

Rund 300 Live-Platten und CDs legendärer Konzerte von Miles Davis, Les McCann, Sun Ra, Oscar Peterson, Monty Alexander, Marvin Gaye und vieler anderer sind bisher erschienen. Claude Nobs ließ – anfangs ein Novum in der Musikbranche – über Jahrzehnte die Konzerte – bereits 1991 mit HD-Technik – aufnehmen, um die Musik zu bewahren und sie an kommende Generationen weiterzugeben.

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Und die UNESCO hat das rund 5000 Stunden umfassende Audio- und Videomaterial ins Weltdokumentenerbe aufgenommen.

Für immer jung

Die Saxofonisten-Legende Charles Lloyd aus Memphis war bereits 1967 als Headliner mit Keith Jarrett und Jack DeJohnette in der Band dabei und heuer mit mittlerweile 78 Jahren erneut mit jungen, vitalen Mitmusikern bei der Opening Night im Casino.

Bei der alten Markthalle erinnern Fotos an die Stars von anno dazumal. Ella Fitzgerald, Etta James oder Dizzy Gillespie: Der Trompeter macht Gymnastik auf dem Teppich des Montreux Palace. Das Foto aus dem Jahr 1975 ist zugleich Buch-Cover für "50 Summers of Music" mit Erlebnissen, Episoden und Anekdoten. Auf 175 Bildern sind Legenden bei ihren Auftritten zu sehen, aber auch in intimen Momenten: Leonard Cohen beim Handstand, Quincy Jones im Segelflieger, David Bowie beim Ski fahren, Nina Hagen im Punk-Outfit ...

Für dieses Jubiläum wollten die Veranstalter die Geschichte zurückbringen, aber mit Newcomern. So spannte man etwa den jungen Jazz-Trompeter Christian Scott aus New Orleans an einem Abend mit den Jazz-Altmeistern Bill Evans, Mike Stern, Dennis Chambers und Darryl Jones zusammen. Damit neue, spannende Verbindungen entstehen – ganz im Geist von Claude Nobs.

Denn jeder Konzertabend erzählt eine einmalige Geschichte. Der energetische, britische Jazz-Sänger Jamie Cullum teilte sich die Bühne mit Lisa Simone, der Tochter der legendären Nina Simone, Quincy Jones mit Pepe Lienhard, und Pop-Star Lana Del Rey hatte an ihrem Abend den 23-jährigen Max Jury, eine Singer/Songwriter-Entdeckung aus Iowa, dabei.

Internet-Eintagsfliegen

Viel hat sich verändert im Lauf der Zeit. Wie schon Miles Davis einmal sagte: "Heute klingt nicht einmal mehr ein Verkehrsunfall wie vor 25 Jahren." Früher haben Plattenfirmen Stars gemacht. Ohne Major-Label keine große Karriere.

"Heute werden wir oft im Internet auf Musiker aufmerksam, die früher unentdeckt geblieben wären", erzählt Mathieu Jaton. "Wir schauen uns da um nach Talenten."

Riskant bleibt das Veranstaltergeschäft in jedem Fall. Denn war ein guter Plattenverkauf früher fast schon die Garantie für einen ausverkauften Saal, so bedeuten 250.000 Klicks auf YouTube noch lange nicht, dass das Konzert des Künstlers gut besucht ist. Es gibt eben auch viele Internet-Eintagsfliegen.

Live dabei

Um Festival-Atmosphäre erleben zu können, ohne vor Ort zu sein, präsentiert Red Bull TV Künstler, die man live online sehen kann. Übertragen wurden aus Montreux u. a. die Auftritte von M83, ASAP Ferg, Rag’n’Bone Man und Charles Bradley.

Red Bull TV liefert in der Reihe "Season of Festivals" neben Live-Broadcasts von Acts der größten Musikfestivals wie Bonnaroo, Roskilde oder Montreux Interviews, Hintergrundberichte etc.; verfügbar auch auf der Red Bull TV-App für Android, iOS und Windows Phone; über Apple TV und Samsung TV’s Red-Bull-Channels; als gratis Download-App auf Amazon Fire TV, Kindle Fire, Nexus Player, Roku Players, Roku-TV-Modellen und Xbox 360.

Die nächsten "Season of Festivals": Lollapalooza in Chicago, USA (28. bis 31. 7.); Bestival auf der Isle of Wight, GB (8. bis 11. 9.); Austin City Limits Music Festival in Austin, USA (30. 9. bis 2. 10.). Ausgewählte Konzerte und Interviews sind auch nach der Live-Ausstrahlung für kurze Zeit als Video on Demand verfügbar.