Kultur

Jamie Cullum: Cleverer Popjazzmixer

So gar nicht geschniegelt mit Zauselfrisur und einigen Kratzern in der Stimme wirkt er immer, als käme er gerade aus dem Bett. Elton John nannte ihn den „weniger nervigen Robbie Williams“.

Aber das hyperaktive Springinkerl ist Jamie Cullum nur auf der Bühne. Im Londoner Metropolis-Studio tätowiert der britische Singer-Songwriter die Stille zwischen Interviews mit ein paar Klavierakkorden:

Sein sechstes Studioalbum „Momentum“ (Universal) – nach „The Pursuit“ (2009) – „handelt einerseits vom Erwachsenwerden, andererseits von der Sehnsucht nach der Sorglosigkeit der Jugend, dass man einfach wieder Kind sein will. Ohne Verantwortung.“

Twentysomething war gestern. „Jetzt bin ich 33, verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Das verändert vieles. Wir sind in ein großes Haus aufs Land gezogen, weil meine Frau und ich die Ruhe suchten. Aber ich bin jetzt auch mehr bei mir als früher.“

Zehn Millionen Tonträger hat er in zehn Jahren verkauft mit seiner speziellen Multigenerationenpoprockhiphopswingjazz-Promenadenmischung. Und „wollte keine Teenager-Songs mehr schreiben , sondern Erwachsenenlieder.“

Entertainer

Die CD „Momentum“ – kein Fall für Genre-Schubladisierer und „definitiv kein Jazz-Album“, so Cullum – enthält Funkiges wie „The Same Things“, den Ohrwurm „Everything You Didn’t Do“ und fast Rockiges wie „Edge of Something“.

„Sad, Sad World“, klingt ein bisschen nach Prince, und „When I Get Famous“ entführt mit seinen Arrangements auf den Broadway der Zwanzigerjahre.

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Live zu spielen – wie bei der Nova Jazz & Blues Night am 20. Juni in Wiesen – und dabei Luftsprünge zu vollführen, ist für den 1,64 -Meter-Musiker sowieso das Größte. Dabei versuche er nur, „den musikalischen Anspruch und das Entertainment zu verbinden: Musik soll Gefühle auslösen, Traurigkeit oder auch Glücksgefühle“. Eine raue Stimme, sanft und einschmeichelnd, die alle Emotionen von November-trübe bis summertime-fröhlich provozieren kann, Pianoklänge, Backbeat und Dancefloor-Rhythmen genügen. „Momentum“ suggeriert Lebensfreude.

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„Ich versuche einfach Neues und experimentiere gern“ , so der Popjazz-Mixer. Den Jazz nannte er einmal „eine großartige Plattform, auf der man machen kann, was man will“. Dass er sich davon weit entfernt hat, hat einen banalen Grund: „Mir macht es derzeit den größten Spaß, eigene Songs zu schreiben und dabei auf alle Konventionen und Erwartungen zu pfeifen.“ Dass er parallel zu „Momentum“ im Studio ein Jazz-Album eingespielt hat, das „irgendwann erscheinen wird“, verrät er nur in einem Nebensatz.

Denn in Wahrheit will er „ein größeres Spektrum abdecken, als das im Jazz möglich ist. Innerhalb des Jazz bist du limitiert, und irgendwann ist es dann eben kein Jazz mehr, wenn du die Grenzen sprengst.“

KURIER-Wertung: ***** von *****