Nachruf auf Montserrat Caballé: Die Letzte der Allergrößten
Von Ioan Holender
Maria de Montserrat Viviana Concepción Caballé i Foch, die Ikone und Inkarnation Kataloniens, verließ gestern im 85. Lebensjahr unsere Welt. Neben Renata Tebaldi und Maria Callas war sie die letzte der allergrößten Sopranistinnen des letzten Jahrhunderts.
Caballé bestieg, ungewöhnlich für die heutige Zeit, behutsam und langsam die Stiegen zum Weltruhm. Am Stadttheater Basel begann sie als Ensemblesängerin mit der Ersten Dame in der „Zauberflöte“ und sang dort im dritten Jahr die „Salome“, um anschließend weitere drei Jahre in Bremen zu singen.
Als sie 1965, kurzfristig und ohne Probe, in der New Yorker Carnegie Hall Marilyn Horne als Donizettis „Lucrezia Borgia“ ersetzte, wurde sie weltberühmt und debütierte im selben Jahr schon an der New Yorker Metropolitan Opera als „Margarete“ in Gounods „Faust“. Barcelonas Gran Teatro Liceo blieb bis zuletzt ihre Heimatbühne, wo sie in Richard Strauss’ „Arabella“ debütierte und bis zu Richard Wagners Isolde und Brünnhilde ihr Repertoire erweiterte.
Es gibt und gab in der Operngeschichte keine andere Sängerin, welche ein so breites Repertoire gesungen hat. An der Wiener Staatsoper debütierte sie am 28. Februar 1959 als „Donna Elvira“ in Mozarts „Don Giovanni“ und kam im Mai desselben Jahres noch einmal als „Salome“.
Lächelnder Abgang
Fast 20 Jahre hat es gedauert, bis sie zurückkehrte und zuletzt als Maddalena in Giordanos „ Andrea Chénier“ mitten in ihrer großen Arie im dritten Akt vor dem hohen H aufhörte, die Schultern und Arme hebend, lächelnd „non va“ sagte und von der Bühne abging – ein unvergesslicher und einmaliger Schock für alle Anwesenden, inklusive mich – noch dazu als ihr Agent.
Claudio Abbado holte sie dann 1988 als bejubelte Madame Cortese in Rossinis „Viaggio a Reims“ zurück. Ich durfte sie zur Kammersängerin ernennen, als Frau Caballé in der Sprechrolle der Duchesse de Crakentorp in Donizettis „Regimentstochter“ wiederkam und sich es nicht nehmen ließ, auch ein Schweizer Volkslied beizusteuern.
Ewiges Barcelona
Sie hatte schlussendlich 44 Auftritte an der Wiener Staatsoper, doch nichts machte sie bekannter als ihr Auftritt mit Freddie Mercury in dem Duett „Barcelona“, welches dann 1992 das Emblem der Olympischen Spiele wurde. Montserrat Caballé war die Entdeckerin von José Carreras und förderte stets seine Karriere, obwohl ihr Ehemann Bernabé Marti ebenfalls Tenor war.
Doch der gemeinsamen Tochter Montsita, gleichfalls Sopranistin, half die größte Unterstützung nicht, um als Sängerin Fuß zu fassen. Mutter und Tochter traten gemeinsam bis zuletzt, wo immer man sie engagierte, auf, wobei Montserrat sogar im Rollstuhl noch sang.
Ihre Gesangskunst bewies, dass es keine Fächer gibt. Wenn man eine gute Technik hat, kann man mit einem besonderen Stimmmaterial buchstäblich alles singen. Ihr Humor, mit dem sie sich auch nicht scheute, sich über sich selbst lustig zu machen, ihr Humanismus und ihre Bescheidenheit neben ihrer singulären Stimme bleiben unvergesslich.
Zum Autor: Ioan Holender war von 1992 bis 2010 Direktor der Wiener Staatsoper und zuvor auch Künstleragent. In dieser Funktion hat er unter anderem auch Montserrat Caballé vertreten und ihre Karriere mitaufgebaut.