Kultur

In die Fallen des Ruhms gestolpert

Ende Oktober in Oslo: Justin Bieber verlässt nach nur einem Song die Bühne, weil die Fans vorne gekreischt, nach ihm gegriffen und ihm nicht zugehört haben.

Sein Unmut ist irgendwie verständlich. Denn mit dem heute, Freitag, erscheinenden Album "Purpose" will Bieber sein Image korrigieren, erwachsen werden, vom Teeniestar zum anerkannten Entertainer mutieren. Andererseits ist Davonlaufen nicht wirklich erwachsenes Verhalten.

Aber Bieber, mit 16 von Usher entdeckt und zum Star geworden, ist in den letzten zwei Jahren ohnehin anstatt mit Hits immer nur mit Skandalen in den Schlagzeilen gewesen. Und weiß anscheinend selbst sehr genau, wo er in seiner Entwicklung zum Mann und Künstler steht: "Ich bin noch nicht dort, wo ich hin will, aber auch nicht mehr dort, wo ich war", erklärte er kürzlich in einem Interview.

Wo er war, konnten 73 Millionen Facebook-Freunde und 68 Millionen Twitter-Follower in den letzten beiden Jahren im Internet beobachten: Bieber beschoss das Haus seiner Nachbarn mit Eiern. In Miami wurde er für eine Nacht inhaftiert, weil er unter dem Einfluss von Marihuana mit seinem Auto viel zu schnell unterwegs war.

Verwirrt

Er lief in der Öffentlichkeit in Unterhosen herum und reiste – wie einst Michael Jackson, mit dem er sich verglich – mit einem Affen, den er irgendwann beim deutschen Zoll zurückließ. All das wirkte wahlweise kindisch, verwirrt, rebellisch oder größenwahnsinnig.

"Justin Bieber will so sehr der böse, böse Rockstar sein", kommentierte Rod Stewart kürzlich dieses Verhalten. "Aber entweder du bist es, oder du bist es nicht. Du kannst es nicht vortäuschen."

Alle Inhalte anzeigen
Vielleicht lenkte Bieber deshalb mit der Werbekampagne zu "Purpose" jetzt wieder ein, ging in diversen Interviews auf Erklärungs- oder sogar Entschuldigungs-Kurs. Und mit seinen Ideen für den neuen Sound von "Purpose" zu respektierten Produzenten und Mitstreitern mit hoher Glaubwürdigkeit.

Dubstep-Star Skrillex hat einige Tracks mit Bieber aufgenommen. "Where Are Ü Now", in Zusammenarbeit mit Skrillex und Diplo entstanden, war im Frühjahr in den USA schon ein Hit. An "We Are" ist NAS beteiligt, und an dem Highlight "Love Yourself" Ed Sheeran.

Im Gesamtbild ergibt das ein deutlich erwachseneres, gut gemachtes Pop-Album, das zwischen EDM und R&B balanciert, auch Hip-Hop-Einflüsse hat und einige Songs enthält, mit denen Bieber das Teenie-Image tatsächlich abschütteln könnte.

Mühen

Nicht zuletzt auch deshalb, weil er selbst in die Entstehung jedes Song involviert war. Man glaubt ihm, wenn er in "Mark My Words" über seine Ex Selina Gomez singt. Oder in "Life Is Worth Living" über die Mühen und Probleme, die er mit seinem Ruhm und dem Erwachsenwerden hatte.

Und dabei gab es offenbar sehr schwierige Phasen. Als ein Business-Insider Biebers Manager Scooter Braun zu der "brillant orchestrierten Comeback-Kampagne" gratulierte, antwortete Braun: "Ich hab’ damit nichts zu tun. Das hat Justin ganz alleine gemacht. Eineinhalb Jahre lang hat er sich abgekapselt und in eine düstere Welt vergraben. Ich habe jeden Tag verzweifelt versucht, ihn da rauszuholen. Aber ohne jeden Erfolg."

Und auch Bieber gab dem Rolling Stone gegenüber zu: "Ich war nah dran, dem Ruhm zu erlauben, mich komplett zu zerstören. Gewisse Dinge haben das Vertrauen in die Leute um mich herum gebrochen. Ich hatte das Gefühl, dauernd beurteilt zu werden. Aber ich habe es überlebt. Und bin befreit daraus hervorgegangen."

Vertrauen

All diese Erfahrungen fließen in "Purpose" ein. Bieber singt von Vertrauen und der Suche nach dem Sinn in seinem Tun. "Früher habe ich Songs aufgenommen, die ich nicht mochte, die ich mir nicht anhören würde. Nur weil die Plattenfirma sagte: ,Nimm das auf!‘. Mit ,Purpose’‘ kann ich mich selbst verwirklichen. Ich beziehe die dunklen Momente genauso ein wie die Ex-Girlfriend-Probleme. Das ist besser als zu sagen, ,Lass uns Max Martin anrufen, dass er dir einen Hit schreibt‘. Ich will, dass meine Musik inspirierend ist. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie ,Purpose‘ aufgenommen wird."