Kultur

Im schönen Zentrum der Verleumdung

Für Zygmunt Miloszewski ist Sandomierz an der Weichsel die schönste Stadt Polens.

Das sollte man nicht für möglich halten, wenn man "Ein Körnchen Wahrheit" gelesen hat.

Abgesehen davon, dass die Wirtshäuser so beschrieben werden, dass man nicht einmal einen Toast mit Handschuhen angreifen bzw. essen würde: Es geschehen Verbrechen.

Und es sind Verbrechen geschehen: Sandomierz war ein Zentrum jener "Ritualmordlegende", wonach Juden Kinder rauben, töten, ihr Blut trinken.

Die katholische Kirche förderte den Irrglauben.

In der Kathedrale hängt noch immer ein Gemälde von Charles de Prevot, das derartige Abscheulichkeiten zeigt. Es ist jetzt immerhin hinter einem roten Vorhang versteckt.

Friedliches Zusammenleben und Pogrome wechselten einander in der Geschichte der kleinen, schönen Stadt mehrmals ab.

Szacki ermittelt

Ausgerechnet hier wird – in diesem Kriminalroman – eine Frau mit einem speziellen Messer ermordet, einer "Rasiermachete", mit der koschere Fleischhauer die Rinder schächten.

Die Frau war so etwas wie eine Heilige. So gut und lieb war sie zu allen, eine hauptberufliche Ehrenamtliche, sogar das Musical "Shrek" hat sie für die Kinder auf der Burg aufführen lassen.

Der Warschauer Staatsanwalt Szacki ermittelt. Er ließ sich nach seiner Scheidung nach Sandomierz versetzen. Auf die 50 geht er zu, ein interessanter Typ, ein Weiberer ist er. Was man in Polen wohl niemals so ausdrücken würde. Er ist der Serienheld des 40-jährigen Miloszewski, und Miloszewski ist der Shooting Star der polnischen Krimiszene. Er ist bissig und setzt unaufdringliche Pointen. Man kann ihn auch lesen, wenn man’s gar nicht spannend haben will, sondern um mehr über ein EU-Land zu erfahren, auf das man sowieso ein Auge werfen sollte.


Zygmunt Miloszewski:
„Ein Körnchen Wahrheit“
Übersetzt von Barbara
Samborska.
Berliner Taschenbuch Verlag.
512 Seiten.
10,30 Euro.