Zurück zum alten "Lumpenproletariat"
Von Peter Pisa
Wenn jetzt wieder im Fernsehen die Werbung läuft, in der es heißt „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ ... was sind dann diejenigen, die sich’s nicht leisten können, hier Mensch zu sein?
Überflüssig sind sie.
Man könnte das ja wirklich fast glauben: Wer daheim bleibt, um dem behinderten Sohn oder Vater einen Filterkaffee zuzubereiten, der gilt als Null – aber wer seinem Chef in der Firma einen Espresso serviert, der ist ein Assistent ...
Ilija Trojanow hat einen Essay geschrieben, in dem er mindestens so zornig ist wie im vorangegangenen Roman „EisTau“ (2011) über die Natur, mit der Kasperl gespielt wird, anstatt sie zu retten.
Die – sozusagen – souveräne Gleichgültigkeit macht es dem 47-jährigen (meist mit der Bahn fahrenden) Schriftsteller immer schwerer, sich im Zaum zu halten.
10,1 Milliarden
In „Der überflüssige Mensch“ kann er aufs schöne Formulieren verzichten. Da legt er einfach los:
„Die zehn erfolgreichsten Hedgefonds-Manager rafften im Jahr 2012 10,1 Milliarden Dollar zusammen – mit diesem Geld könnte man 250.000 Grundschullehrer oder 196.000 Krankenschwestern einstellen.“
Trojanow gibt dem neuen Wort „Preka riat“ das alte Wort zurück, das ehrlich zeigt, wie man auf dem Weg in die eigene Überflüssigkeit dahinvegetiert:
Lumpenproletariat.
„Wir müssen unseren Wohlstand reduzieren, um den anderen wenigstens das Recht auf Nahrung und ein würdevolles Leben zu garantieren. Jede andere Haltung impliziert, dass es wertvolles und unwertes Leben gibt.“
Seltsam ist das:
Und Trojanow weiß, dass es von „Heimat“ eine kluge Mehrzahl gibt, „Heimate“ (im Gegensatz zum Wort Chaos, das herrscht überall, doch ist stets im Singular).
... aber in den Diskussionssendungen des ORF-Fernsehen sieht man ihn nie. Immer dieselben Gesichter. Kein wahrhaftiger Trojanow zum Streiten, zum Verzweifeln, zum Mutmachen.
„Widerstand“, sagt er im KURIER-Gespräch, „ist der Sauerstoff einer wirklichen Demokratie. Widerstand als Einspruch und Verweigerung.“
KURIER-Wertung: **** von *****