Hörbiger: "Bin nicht der Motor einer Paarbeziehung"
Von Johanna Hager
Mittagspause", ruft der Aufnahmeleiter. Die Crew von Regisseur Nikolaus Leytner verlässt das Set, das Gelände der Wiener Semmelweisklinik, Richtung Catering. Die Schauspieler aber bleiben, um über ihre Hauptrollen in der ARD/ORF-Tragikomödie "Zurück ins Leben" zu sprechen. Während Roman Knižka, der im Roadmovie Mendls Sohn spielt, sich den Fragen des Brisant -Teams stellt, nehmen Christiane Hörbiger (73) und Michael Mendl (67) vis-à-vis am Rasen zwischen den Bäumen Platz und Stellung - zu dem Dasein als Rentner, der Einsamkeit nach Theatervorstellungen und zu Tödlichem während Dreharbeiten.
KURIER: Der fünfte gemeinsame Film, der zweite unter der Regie von Nikolaus Leytner. Sind Sie ein eingespieltes Team?
Christiane Hörbiger: Wir beide? (blickt Mendl an) Ja, wir sind ein eingespieltes Team!
Michael Mendl: Wäre ja schlimm, wenn es nicht so wäre.
Hörbiger: Wenn wir uns oft gekracht hätten, hätten wir uns wohl nicht oft vor der Kamera getroffen.
Obwohl Sie einander so gut kennen: Gibt es überraschende Moment am Set?
Hörbiger: Schauspielerisch wissen wir, dass wir uns aufeinander verlassen können. Es gibt aber immer wieder überraschende Momente so wie gestern, als du mich angesehen hast (nimmt Blickkontakt mit Mendl auf), mir immer wieder das Stichwort gegeben hast, obwohl es nicht verlangt war.
Mendl: (ergreift Hörbigers Hand) Es ist prima, wenn man schon in der Vorbereitung weiß, mit wem man arbeitet, das Handwerk des Partners kennt. Das kann die Fantasie beflügeln, eine Vision schaffen, wie man die Rolle anlegt.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für einen Film? Ist es der Regisseur, das Drehbuch oder sind es die Kollegen?
Mendl: Das Drehbuch ist das A und O. Wenn es nichts taugt, was es, einem Ondit zufolge, ab und an geben soll, dann kann man nichts daraus machen. Selbst, wenn man noch so einen guten Partner oder Regisseur hat. Trotzdem spielt es für mich immer eine Rolle, wer mein Partner ist, weil es Kollegen gibt, mit denen man lieber spielt als mit anderen. Als ich gehört habe, dass Nikolaus Regie führt, bin ich mit noch größerer Freude nach Wien geflogen.
Was zeichnet ein gutes Drehbuch aus?
Hörbiger: Jetzt könnte ich sagen: die gute Rolle. Aber das stimmt nicht. Ich weiß schon beim Stil des Treatments, wie es geschrieben ist, ob es Böses oder Gutes erahnen lässt. Ich habe es im Gefühl. Du entscheidest es sicher vom Kopf, vom Intellekt!
Mendl: Nee, ich bin eher ein Bauchmensch. Für mich ist ein Drehbuch dann gut, wenn die Personen darin wirklich etwas zu erzählen haben, und wenn es nicht nur um eine fortlaufende Handlung geht. Wenn Personen einen Charakter haben oder ich meine, durch mein Spiel dieser Person einen Charakter geben zu können, dann interessiert es mich. Wenn das nicht der Fall ist, habe ich keinen Bock darauf.
In "Zurück im Leben" spielen Sie eine Frau, die das Seniorenheim gleichsam auf den Kopf stellt, Jakob, gespielt von Michael Mendl, dazu animiert, wieder aktiv am Leben teilzuhaben. Hat Christiane Hörbiger etwas mit der Rolle Maria gemein?
Hörbiger: Eigentlich gar nicht. Ich bin zwar von einem gewissen Temperament gesegnet - aber andere anzutauchen? Das bin ich nicht. In den kleinen Momenten, im Lächeln, im Verliebtsein, im Schenken oder im Geben kommt immer etwas von der eigenen Person in der Rolle durch. In den Grundzügen bin ich aber privat nicht der Motor einer Paarbeziehung.
Mendl: Dass ich mittlerweile Rentner bin, deckt sich mit der Figur des Jakob. (lacht) Ich kenne dieses Zurückgezogensein, die Einsamkeit der Figur - aber ansonsten sind wir grundverschieden.
Sie spielen Senioren in einem Altenheim. Begreifen Sie sich als Senioren?
Hörbiger: Es hat eine Zeit gegeben, da bin ich immer wieder in den Autobus eingestiegen - von Baden nach Wien. (ahmt Lenken nach) Als mich der Chauffeur gefragt hat: "Haben Sie einen Seniorenausweis?" Habe ich gesagt: "Wenn Sie mich noch ein Mal fragen, steige ich aus und hole einen Anwalt." (beide lachen lange und herzlich)
Haben Sie denn jetzt einen Seniorenausweis?
Hörbiger: Jetzt habe ich einen Seniorenausweis. Dennoch soll mich nie wieder ein Autobus-Chauffeur danach fragen. Ich weiß, wie alt ich bin. Dass die Marge bis zum Lebensende kürzer wird, daran denke ich jeden Tag, und das ist gut so. Ich bin nicht so wie meine Großmutter, die mit 80 bereits das Totenhemd fertig hatte, die Kerzen, das Testament und die Perlenkette, die ihr die Hörbiger-Söhne gegeben haben, schon auseinandergeschnitten hatte für die Enkel und dann 99 wurde. Ich hoffe, dass ich so alt werde wie meine Großmutter. Aber das Vorausdenken dorthin? Nein!
Mendl: Ich komme mir nicht vor wie ein Senior, auch wenn ich das manchmal scherzhaft betone. Wenn ich allerdings sage, dass ich Rentner bin, frage ich mich oft selbst, ob ich mir das glaube, mich als solcher begreife. Ein Zipperlein hier, eines da, gewisse Dinge, die nicht mehr so schnell gehen wie früher, ... Das gibt es und daran merke ich, dass ich älter geworden bin. Aber ich fühle mich nicht wie 67.
Hörbiger: Ich habe eine so wunderbare Zeit jetzt. Es geht mir so gut! Zipperlein? Ja. Ich habe mir den grauen Star operieren lassen und sehe alles viel deutlicher. Ich sehe, wie liebevoll du mich ansiehst (sieht Mendl lange an) . Und: Ich nehme in deinen Augen wahr, dass du während des Dialogs mitdenkst, mitspielst. Das ist wahnsinnig wichtig für einen Schauspieler. Das ist ein Geschenk.
Sie haben beide Ihre Karrieren auf der Bühne begonnen, wurden erst später zu den deutschen Film-Stars, die sie heute sind. Ist es denkbar, dass Sie wieder an die Bühne zurückkehren?
Hörbiger: Ich nicht mehr. Ich habe dem Theater so lange gedient. Am Zürcher Schauspielhaus, woran sich kaum noch jemand erinnert (schmunzelt) . Es ist der großzügigste Zweig unseres Berufes, weil man alles gibt und es bleibt nichts. Gut, unsere Filme werden irgendwann vergilben - aber vom Theater bleibt nichts. Es ist das Schönste, das Wahrhaftigste, auf der Bühne zu stehen. Aber: Man gibt am Abend alles, das bisschen Applaus am Schluss, wenn man Glück hat ein "Bravo", ist schön ...
Mendl: ... und danach die große Einsamkeit.
Hörbiger: Ja! Und danach die große Einsamkeit. Das große Loch, das unter anderem der wunderbare, mehr als geschätzte Harald Juhnke mit Alkohol wieder aufgefüllt hat. Das ist verständlich. Wenn man hernach nicht eine liebevolle Hand hat, die einen beim Bühneneingang empfängt und sagt: "Mein Lieber, du warst heute wieder toll", dann fällt man in ein Loch. Ich weiß von Juhnke, als er die letzte Vorstellung dieser schweren Rolle, Hauptmann von Köpenick, gespielt hat, war niemand da, der ihn abgeholt hat. Und dann sagte er dem Taxifahrer: "Wir fahren in die Bar." Ich kann das nachvollziehen. Theater ist das Schwerste und Anstrengendste und mitunter Schönste. Michael, Du kennst das, weil du jahrelang am Theater warst.
Mendl: 25 Jahre. Ausschließlich am Theater.
Ist eine Rückkehr ans Theater auch für Michael Mendl ausgeschlossen?
Mendl: Nein. Vor 17 Jahren habe ich am Theater aufgehört - mit
Ausnahme der Rockoper Excalibur, in der ich als Merlin auf der Bühne stand vor bis zu 10.000 Zusehern. Das macht riesig Spaß und ist auch eine Form von Theater. Ich denke, dass ich vielleicht sogar im nächsten Jahr in Wien Theater spielen werde. Mal sehen. Ich würde aber nicht mehr ins Ensemble gehen. Ich stand 25 Jahre fest im Geschirr und habe den Karren gezogen. Das mache ich nicht mehr, aber ein Mal im Jahr, eine schöne Geschichte auf der Bühne - da hätte ich Lust zu.
Werden Sie sich den Film "Zurück ins Leben", wenn er 2012 in ARD und ORF ausgestrahlt wird, ansehen?
Höbriger: Natürlich! Ich sitze zu Hause mit meinem Gerhard Tötschinger Hand in Hand (ergreift Mendls Hand und führt das Gesprochene gleichsam vor) , weil er mich wieder trösten wird, wenn mir etwas nicht gefällt. Es gibt Filme, die mir so am Herzen gelegen haben, dass ich mich fürchte, sie anzusehen. Es gibt andere, da weiß ich: Es kann mir weniger passieren, da bin ich neugierig. Und, wir haben eben darüber gesprochen, kommt es beim Fernsehen leider oder Gott sei dank so sehr auf die Quote am nächsten Tag an. Die mit Spannung erwartete Quote ist so furchtbar wichtig geworden.
Denkt man während des Arbeitens je an die Quote?
Hörbiger: (schlägt die Hände über dem Kopf zusammen) Um Gottes Willen - nicht während der Arbeit. Das wäre tödlich! Aber während der Ausstrahlung denkt man an die Quote, weil die Fernsehanstalten, Agenten, Produzenten auf die Quote gucken. Das ist manchmal bei wunderbaren Filmen sehr traurig, wenn die Quote nicht stimmt. (Mendl unterstreicht das Gesagte mit stetem Kopfnicken.)
Sehen Sie Ihre Filme auch mit Kollegen an?
Hörbiger: Ich sehe gerne einen Film im Kreis der Kollegen, wie wir das gemacht haben bei "Die langen Welle hinterm Kiel" oder "Der Besuch der alten Dame". Da hatte ich das Glück, dass die ARD den Film zu meinem 70. Geburtstag ausgestrahlt hat und das ganze Team bei mir den Film gesehen hat.
Mendl: Wenn ich zu Hause bin und die Möglichkeit habe, die Erstausstrahlung zu sehen, gucke ich es mir an. Da bin ich manchmal wie ein kleines Kind, freue mich darauf, weil ich denke: Heute ist Premiere. Wobei ich es mir immer aus einem Grund angucke: Ich kontrolliere nochmal alles. Ich will wissen: Ist das aufgegangen, was ich gespielt habe, was die Kollegen gespielt haben? Ist das Zusammenspiel aufgegangen? Die Regie? (Mendl hält inne und spricht in gespielter, spielerischer Rage weiter) Was haben die da für einen Schnitt gemacht!? Sind die denn wahnsinnig? Was haben die da für 'ne Musik druntergelegt? Wie heißt der Komponist? Mit dem will ich nie wieder was zu tun haben. Das will ich sehen und hören - deshalb gucke ich mir das alles an. (nun nickt Hörbiger quasi als Zeichen der Bestätigung)
Etwas, das Sie beide neben der späteren Filmkarriere gemein haben, sind Hörbücher. Ist es vorstellbar, dass Christiane Hörbiger und Michael Mendl gemeinsam ein Hörbuch einlesen?
Hörbiger: Einen Leseabend würde ich gerne mit Michael machen.
Mendl: Das ist eine gute Idee.
An welche Art von Stück oder Lyrik denken Sie?
Hörbiger: Es gibt so wunderbare Dialoge zwischen Mann und Frau. Sie haben mich auf eine Idee gebracht, da könnte ich jemanden anregen, darüber nachzudenken.
Mendl: Ja?!
Ihre Schwester Maresa vielleicht und damit das Theater am Himmel?
Hörbiger: Ja, das könnten wir probieren. Ich glaube, das könnte schön werden.