Hat’s den Grafen Bobby wirklich gegeben?
Von Georg Markus
Die Österreicher haben mehrere Witzfiguren erfunden, wobei die berühmtesten die Alt-Grafen Bobby und Rudi sind, die zwei ganz besondere Exemplare von jahrhundertelang gelebter Degeneration darstellen:
Am Opernring begegnet Graf Bobby einem Dienst-mann, der keuchend auf dem Rücken eine große Standuhr schleppt. Bobby bleibt kopfschüttelnd ste-hen, sieht den Dienstmann mitleidig an und geht auf ihn zu. "Lieber Herr", sagt er und zeigt auf seine Armbanduhr, "schaun S’ amal her – das müssen S’ sich kaufen! Das is praktisch!"
Als Vorbild für die Figur des Grafen Bobby soll ein Graf Salm gedient haben, wer seine nicht minder vertrottelten Freunde Rudi und Mucki waren, blieb unbekannt, in ihnen dürfte eine Mischung aus tatsächlich existenten Aristokraten zusammengefasst worden sein, wie sie in den Kaffeehäusern und Offizierscasinos der alten Donaumonarchie anzutreffen waren. Die drei Herren hatten nichts anderes zu tun, als über die Welt und ihre Errungenschaften zu philosophieren.
Graf Bobby lässt sich am Bankschalter hundert Kronen geben. Der Beamte überreicht ihm die Münzen und rät ihm, das Geld nachzuzählen. Bobby tut es, er zählt und zählt und zählt. Nach siebzig Stück reicht es ihm, und er steckt alles zusammen in seine Brieftasche.
Der Beamte wundert sich: "Wär’s nicht besser gewesen, der Herr Graf hätten alles abgezählt?"
"Aber nein", erwidert Bobby, "wenn’s bis siebzig g’stimmt hat, wird ja wohl auch der Rest stimmen."
Zum eisernen Bestand altösterreichischer Witzfiguren zählt neben den Herren Bobby, Rudi und Mucki auch die neureiche Frau von Pollak, die ständig Fremdworte verwechselnd und Pointen verdrehend, die Gemüter erfreut:
Pollaks gehen in die Oper, um ihr jüngst erworbenes Vermögen zur Schau zu stellen. Als Frau Pollak in der Garderobe gefragt wird: "Wünschen Frau Baronin ein Opernglas?", antwortet sie: "Nein danke, wir trinken aus der Flasche."
Wie den Grafen Bobby hat es auch die Frau Pollak tatsächlich gegeben. Sie hieß mit vollem Namen Rosa Pollak von Parnegg, war die Gemahlin eines geadelten Industriellen und in den letzten Jahren der Donaumonarchie eine populäre Wiener Figur. Man behauptet, ihre eigenen Söhne hätten die ihr zugerechneten Ausdrücke gesammelt und jeweils unter dem Titel "Muttermund" weitererzählt. Sie selbst soll über ihre – wenn auch etwas peinliche – Berühmtheit recht angetan gewesen sein.
Eines Morgens erschien Herr von Pollak nicht zum Frühstück. Als er dann auch zum Mittagessen nicht kam, suchte man ihn im ganzen Schloss und fand ihn endlich am späten Nachmittag – tot in seinem Schlafzimmer unterm Bett liegend. Frau Pollak ließ das gesamte Personal antreten, hob den Bettüberwurf hoch, wies mit einem strengen Fingerzeig auf die Leiche ihres Mannes unterm Bett und sagte zu den Dienstmädchen: "Und so was nennt ihr Saubermachen? Faule Bagage!"
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