Kultur

Für die Schlagzeile wäre er sogar in einen Vulkan gesprungen

Ist es viel verlangt, dass ein Roman über Harry Houdini magische Momente haben sollte?

"Der Illusionist" des kanadischen Schriftstellers Steven Galloway hat jedenfalls keine.

Bekannt wurde der heute 39-Jährige mit "Der Cellist von Sarajevo" (2008): Leise ließ er Vedran Smailović erklingen, der während der Belagerung 1992 auf der Straße zum Andenken an die ermordeten Zivilisten an 22 Tagen jeweils um 16 Uhr Albinonis Adagio in g-Moll gespielt hatte.

Galloway brauchte keinerlei Effekte, um Traurigkeit auszulösen. Er machte es genau richtig.

(Abgesehen davon, dass er den Musiker vorab hätte informieren sollen. Smailović fühlte sich bestohlen, missbraucht.)

Bauchboxen

In der Lebengeschichte des aus Budapest stammenden Zauber- und Entfesselungskünstler Houdini hätte etwas sprachlicher Hokuspokus allerdings nicht gestört.

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"Der Illusionist" wird von jenem Mann erzählt, der Houdini – vielleicht – getötet hat:

Romanfigur Martin Strauss (bzw. der amerikanische Student J. G. Whitehead)boxte ihn – was Houdini normalerweise zwecks Demonstration seiner Kräfte gern zuließ – in einem Überraschungsmoment in den Magen.

Blinddarmriss.

Bauchfellentzündung.

Houdini starb 52-jährig im Oktober 1926.

So dürfte das gewesen sein. Dass Strauss allerdings behauptet, Houdini zwei Mal umgebracht zu haben (einmal mit dem Revolver), das schaut nach Lüge aus.

Man muss ihm nicht böse sein: Er leidet an einer seltenen neurologischen Krankheit, Konfabulation. Er erinnert sich falsch.

Wer hat diesen Kerl im Buch gebraucht? Niemand. Er verwirrt bloß. Unnötigerweise wird mit ihm in der Zeit hin und her gesprungen.

Entzaubern

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Wie gut Houdini für sich selbst Werbung gemacht hat, wird thematisiert.

Heute hat man sich an solche Typen ja gewöhnt, aber damals gab’s noch nicht derart viele, die für eine Schlagzeile sogar in einen Vulkankrater gesprungen wären.

Thema ist auch, wie er sich mit Arthur Conan Doyle ("Sherlock Holmes") zerstritten hat, weil Doyle glaubte, man könne wirklich die Geister der Toten beschwören ... der Zauberer war, was Spiritismus betraf, ein großer Entzauberer und ließ die "Medien" auffliegen.

Dass er vielleicht spionierte hat – für die Briten? die Amerikaner? –, füllt allzu viele Seiten und interessiert nicht besonders.

Lieber hätte man noch mehr Kunststücke miterlebt. Noch mehr Tricks samt Erklärung (Houdini ließ einen Elefanten verschwinden! Houdini entkam aus Gefängniszellen!).

Und leider spürt man nicht die panische Angst des so Mutigen vor dem Tod. Nicht die Eifersucht auf Kollegen. Nicht das Cholerische seines Wesens.

Man spürt überhaupt wenig, wird aber unterhalten. Ist ja auch nicht übel.

KURIER-Wertung: