Kultur

Hararis "Homo Deus": Es war einmal der Mensch

Sie verstehen Ihre Kinder jetzt schon nicht? Warten Sie mal auf die Zukunft.

Denn es dürfte gar nicht mehr lange dauern bis zu einem Bruch, der die heutigen Differenzen zwischen den Generationen absurd klein erscheinen lassen dürfte. Es naht der Moment, an dem unsere Kinder nicht nur eine andere Generation, sondern eine andere Spezies sind. Eine, die anders denkt, anders gezeugt wird, einer anderen Religion, jener der Daten nämlich, anhängt als der heutige Mensch; eine, deren Körper zu einem Teil aus Technologie bestehen dürfte, deren Krankheiten von kleinen Nanorobotern geheilt werden, deren Sinne, auch technologisch unterstützt, um so vieles mehr von der Welt erfassen werden, dass diese neue Spezies mit uns vielleicht gar nicht mehr sinnvoll kommunizieren kann. Sie ist vielleicht sogar unsterblich und auch in vielem anderen mehr den antiken Göttern ähnelt als uns Menschen.

Übermensch

Die also Schluss macht mit dem Homo sapiens und fortan auftritt als Homo deus, als gottgleicher Mensch.

Zu pathetisch?

Es bedarf schon der allergrößten Wörter, um uns Heutigen die Zukunft zu erklären, die Yuval Noah Harari vor uns sieht. Der israelische Historiker steckt in "Homo Deus" den Finger mit viel frischem Esprit in die berührungsempfindliche Mischung aus euphorischer Hoffnung und dem Um-Himmels-Willen-Bitte-Nicht-Gefühl, das sich angesichts all der möglichen technologiebedingten Zukunftsszenarien hinter dem Gaumen anstaut.

Und drückt dann einmal fest zu. Wir stehen nämlich an einer Schwelle, an der man besser hellwach sein sollte: Die Forschung in vielen Bereichen – Biomedizin, Digital-Technologie, Robotik – könnte demnächst auf eine Art zusammenfallen, die die menschliche Existenz grundlegend revolutioniert. Locker macht Harari klar, was das heißen würde: Der Mensch wird all das können, was früher nur Götter konnten. Und Harari zeigt auch, welche Hürden warten: Der technologisch, gentechnisch, sozial erneuerte Mensch läuft Gefahr, nicht mehr – wie bisher – ein aufgewerteter Affe zu sein, sondern eine Ameise, die sich des Verwertungs- und Funktionalitätsdrucks der künftigen Gesellschaft nicht erwehren kann.

Schöne Aussicht

Es gibt dabei viele moralische Fragen, die zwischen dem fehlerhaften, beschränkten Menschen von heute und seinem suprigen Cousin von morgen noch nicht besprochen sind.

Der KURIER hat sich zu Jahresbeginn in einer ganzen Serie mit diesen Fragen auseinandergesetzt.

Lösen werden sie sich, so legt Harari nahe, durch den Zug der Entwicklungen von selbst. Irgendwer wird schon mit genetischer Selektion bei Ungeborenen starten, und dann wird keiner mehr zurückstehen wollen.

Ein bisserl entschärft wird der Hochschaubahn-Ritt in die Zukunft durch die recht biedere Gelehrtenprosa, in der Harari vom Homo deus erzählt. Dennoch: Bei der Lektüre heißt’s festhalten.