Kultur

"Happy Film": Glück zum Preis einer Kino-Eintrittskarte

Der Erfolg, den ihm die Gestaltung der Album-Covers für die Rolling Stones, für Jay-Z und für die Talking Heads einbrachte, war dem österreichischen Grafiker Stefan Sagmeister nicht genug. Er finanzierte ihm zwar den angenehmen Lebensstil in New York, doch er wollte höher hinaus – oder besser: tiefer in sich hinein.

Er gönnte sich daher ein Jahr der Experimente, der Inspiration und der Reflexion. Die Fragen, die ihn beschäftigten: Wie kann man ein besserer Mensch werden? Und: Lassen sich Glücksgefühle erlernen? Aus den möglichen Antworten ist "The Happy Film" entstanden. Mithilfe von Meditation, Verhaltenstherapie und Psychopharmaka (die er bewertet und benotet) begibt sich Sagmeister auf die Reise zum neuen "Ich". Der Designer erweist sich als guter Geschichtenerzähler und als begabter Verkäufer. Denn wer kauft nicht gerne ein Glücks-Rezept – um den Preis einer Kinokarte.

The Happy Film. F, GB,USA, Ö 2016. 93 Min. Von Sagmeister, Nabors, Curtis. Mit Stefan Sagmeister

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Man würde mit Blick auf Stefan Sagmeisters Leben eigentlich annehmen, es mit einem glücklichen Menschen zu tun zu haben: Der 1962 in Vorarlberg geborene Designer machte u. a. mit Plattencovern für Lou Reed, die Rolling Stones oder Jay Z Furore, lebt in New York und genießt hohes internationales Renommee.

Und dennoch hat sich Sagmeister zuletzt auf die Suche nach mehr Glück gemacht: Im Wiener Museum für angewandte Kunst gestaltete er eine Ausstellung mit dem Titel "Happy", und am 5. Jänner läuft ein gleichnamiger Film in den Kinos an. Darin widmet sich Sagmeister der Frage, ob man sich so umdesignen kann, dass man glücklicher wird.

KURIER: Kann man?

Stefan Sagmeister: Ja, ein bisschen. Ich bin jetzt – zu meiner eigenen Überraschung – glücklicher als vor dem Glücksexperiment mit dem Film.

Was tun Sie denn in dem Film, um glücklicher zu werden?

Ich habe drei Strategien ausprobiert: Ich war drei Monate in Bali zum Meditieren, dann drei Monate in New York bei einer ausgezeichneten Kognitiven Therapeutin, und habe dann drei Monate lang Serotonin-Wiederaufnahmehemmer geschluckt, in meinem Falle das Antidepressivum Lexapro. Alles hat sich genau gegenteilig zu meinen Erwartungen herausgestellt: Bei mir zeigten die Drogen die größte Wirkung, die Meditation die geringste.

Es wird das Jahr 2016 in der Erinnerung vieler nicht eben mit "happy" assoziiert sein – von Trump bis zum Tod etlicher Pop-idole hat sich heuer einiges ereignet, das die Menschen un-happy macht oder zumindest verunsichert. Kommt Ihr Film da zur rechten – oder gerade zur unrechten – Zeit?

Ich selber kann nach diesem Jahr eine Aufhellung ganz gut gebrauchen.

Welche Rolle spielt Kunst und Design bei dem Prozess? Macht es glücklich, sich mit gutem Design zu umgeben? Und hat es eine politische Dimension?

Wenn ich in einer Stadt lebe, ist alles, was mich umgibt, designt. Mein Hemd und meine Hose, das Telefon in meiner Hand, der Tisch, an dem ich sitze, der Raum, in dem ich mich befinde, das Haus, in dem der Raum ist, die Straße, der Park, der Bezirk, die Stadt. Jedes dieser Elemente kann gut oder schlecht gestaltet sein. Der Einfluss des Designs auf den Stadtbewohner ist vergleichbar mit dem Einfluss der Natur auf den eingeborenen Urwaldbewohner. Gutes Design kann den Betrachter/Benutzer entzücken oder ihm/ihr helfen. Im besten Fall beides.

Was braucht man, was brauchen Sie, um glücklich zu sein?

Meine eigene Erfahrung zeigt, dass mich im Allgemeinen viele und gute soziale Beziehungen glücklicher machen als das Alleinsein. Studien sagen dasselbe. Insgesamt also: Das Treffen mit Freunden, das Erleben von Neuem, das konzentrierte Arbeiten an etwas Schwierigem, die Beschäftigung mit etwas, das größer ist als ich.

Glück ist ja eine zeitlose Frage, zu der schon viele Menschen alles Mögliche gesagt haben. Was heißt denn das für Sie, wann ist man glücklich? Ist Glück, wie Schopenhauer sagt, die Abwesenheit von Leid – oder mehr?

Am hilfreichsten erscheint mir die Einteilung des Glücks nach Zeitspannen: Es gibt das ganz kurze Glück, den Glücksmoment, der nur Sekunden dauert – ein Orgasmus fällt in diese Kategorie. Das mittlere Glück, z. B. ein Sonntagnachmittag auf dem Sofa mit Zeitung und Hund, also die Zufriedenheit, die ein paar Stunden dauern kann. Und das lange Glück: Zu finden, wofür man gut ist im Leben, also etwas, das viele Jahre dauern kann. Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun, aber alle fallen unter den Großbegriff Glück. Ich glaube, dass man in allen drei Glücksrichtungen – kurz, mittel, lang – angesiedelt sein sollte, um ein volles Leben zu leben.

Man würde sich vorstellen, dass jemand mit Ihrem Job und Ihrem Erfolg ohnehin glücklich ist. Eine Fehlannahme? Macht Erfolg glücklich?

Es geht mir schon gut. Auch vor dem Film schon. Erst als ich den Film begann, da ging es steil abwärts: Zuerst ist die längste Beziehung meines Lebens zu Ende gegangen, und dann ist meine Mutter gestorben.

Die Produktion des Films war auf 18 Monate angelegt, dauerte dann aber sieben Jahre. Sie behaupten in den Presseunterlagen, dass Sie der Dreh "zutiefst unglücklich" gemacht habe. Was war da los, was ist denn passiert?

Ich habe mein eigenes Können überschätzt und dachte, dass ich als Designer einfach einen Film machen könnte, dass es da genügend Parallelen geben würde. Dem war nicht so. Außerdem war das Thema Glück riesengroß, ich war selber im Film und wir hatten alle nur möglichen Riesenprobleme. Der größte Schlag war, als unser Ko-Regisseur und in der Zwischenzeit zum guten Freund gewordener Hillman Curtis während der Dreharbeiten gestorben ist.

Sind Sie aufgrund des fertigen Films mehr happy?

Ja. Eigenartigerweise schon.

Kann man aus dem Film lernen, es zu werden?

Nein. Ein Film über das Glück wird mich nicht glücklicher machen; wenn ich der Jane Fonda beim Turnen zuschaue, da werd ich auch nicht dünner werden.

Sie haben ikonische Plattencover u. a. für die Stones und Aerosmith designt. Erlebt die Kunstform, die wegen des einbrechenden Musikverkaufs zuletzt ein wenig aus dem Fokus geriet, wegen des Vinyl-Booms nun ein Comeback?

Ja, unglaublich: Wenn ich meine Lieblingscovers der Musikgeschichte nur aus zwei Jahren auswählen dürfte, dann würde ich dies aus den Jahren 2015 und 2016 tun.