Kultur

Gustav Peichl: Erotisch bauen, kritisch zeichnen

"Jedes Haus hat innen und außen erogene Zonen", sagt Gustav Peichl. In den Bauten, die der Architekt in seiner mehr als 50 Jahre umfassenden Laufbahn realisierte, habe er auf diese Sinnlichkeit stets besonderen Wert gelegt.

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Nachzuspüren ist das an den üppigen, frei liegenden Röhren in den ORF-Landesstudios oder in den Wellenformen, die die Bundeskunsthalle Bonn (1986– ’92) charakterisieren. Fotos solcher Details – von der Künstlerin Pola Sieverding angefertigt und meterhoch ausgearbeitet – bilden die Ouvertüre zu derAusstellung, die das Wiener MAK dem Architekten widmet (bis 19.8.): Morgen, Sonntag, wird Gustav Peichl 90 Jahre alt.

Nachdenken auf Papier

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Wenngleich die Fotos eine Annäherung an das körperliche Im-Gebäude-Sein zu bieten vermögen, so kreist bei Peichls Würdigung doch alles um die Zeichnung. Denn natürlich ist Peichl auch Ironimus, der Karikaturist, und der Federstrich verbindet seine beiden Metiers: Ein "Nachdenken auf Papier" ist das Zeichnen da wie dort, und wer die Schau der Architekturskizzen und -pläne im MAK gemeinsam mit der Schau "Ironimus – jetzt mal keine Politik!" imKarikaturmuseum Kremszu sehen bekommt, versteht auch das Ineinandergreifen von Architektur und Karikatur bei Peichl ein Stück besser.

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In seinen beiden Rollen war Peichl stets ein wacher Zeitgenosse: Seine Architekturentwürfe zeichnen sich durch ihre formale Klarheit aus, sie nahmen so manche Entwicklung des Zeitgeistes auf und einige auch vorweg. Wie Markus Peichl, der in beide Ausstellungen stark involvierte Sohn des Jubilars, erzählt, konnte Peichl etwa mit Richard Rogers, dem Architekten des Pariser Centre Pompidou, trefflich darüber streiten, wer als erster riesige Röhren als bestimmendes ästhetisches Element in seinen Bauten eingesetzt hatte. "Modisch" aber wollte Peichl nie sein, das für die architektonische Postmoderne der 1980er typische Spiel mit Stil-Zitaten verabscheute er.

Kunstkritiker Ironimus

In den Karikaturen der Kremser Schau kommt das ambivalente Verhältnis zum Zeitgeist schön zur Geltung: Da man bewusst auf politische Karikatur verzichtete, erscheint Peichl hier primär als Kunst- und Architekturkritiker, der aber nicht mit Worten, sondern mit Bildern operiert.

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Schon die informelle Malerei der 1950er-Jahre nahm Ironimus in zahlreichen Cartoons auf die Schaufel – er kratzte dabei aber stets die Kurve, um nicht in plumper Verspottung zu landen. Ebenso geißelte er das hypermoderne Design in Cartoons, in denen etwa Figuren verbogen von zackigen Stühlen aufstehen oder von Polstersesseln träumen. Auch die Architekten, die Ironimus an ihren Zeichentischen porträtierte, sind von der Rigidität ihrer Ideen mitunter selbst ganz verformt, oder sie haben sich im Hinterhof der schicken Glas-Architektenvilla heimlich ein beschauliches Vogelhäuschen aufgestellt.

Ein Blick zurück auf die Architekturzeichnungen und -fotos zeigt, wie Peichl es anders wollte: Niemand sollte sich für seine Gebäude verbiegen müssen. Am wenigsten der Architekt selbst.