Kultur

Große Söhne, heikle Vergangenheit

Im Juli 2013, nach zweijährigen Forschungsarbeiten, legte eine Historikergruppe unter der Leitung von Oliver Rathkolb ihren Bericht über die Wiener Straßennamen vor. Man war auf 159 kritische Benennungen gestoßen, darunter auf 28 Fälle mit intensivem Diskussionsbedarf.

Die Porschestraße zum Beispiel ist nach dem Volkswagen-Erfinder und SS-Oberführer Ferdinand Porsche benannt, die Dusikagasse nach dem "Ariseur" und Radrennfahrer Franz "Ferry" Dusika, die Manowardagasse nach dem Sänger und Hitlerverehrer Josef von Manowarda.

Umbenennungen sind für SPÖ-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny nur in speziellen Fällen sinnvoll. So wurde im Jahr 2012 der Abschnitt des Rings, der an den antisemitischen Bürgermeister Karl Lueger erinnert, nach der Universität benannt. Zweckmäßiger sei es, bei umstrittenen Namen Zusatztafeln anzubringen: Es geht um Kontextualisierung.

"Wienkl"

Doch was ist seit 2013 passiert? Nicht viel. Mailath: "Ich habe den Bezirken den Rathkolb-Bericht geschickt und sie eingeladen, sich etwas zu überlegen. Es ist jetzt ein Jahr vergangen. Wenn von den Bezirken nichts kommt, und sollte es keinen besseren Vorschlag für eine Kontextualisierung geben, dann werden wir die historischen Zusammenhänge auf einem ,Wienkl’ darstellen."

Wienkl sind sternförmige Bodenobjekte aus Eternit und Email. Sie stehen neben Denkmälern, etwa beim Mahnmal von Alfred Hrdlicka am Albertinaplatz. Es gibt den Wienkl auch als gebogene Wandtafeln. Bis zum September 2012 wurden sechs Bodenobjekte aufgestellt und 21 Tafeln montiert. Seither kamen nicht viele hinzu; geplant sind Wienkl derzeit für vier Erinnerungsorte, darunter für das Staatsgründungsdenkmal und das Denkmal für die Widerstandskämpfer.

Mailath verspricht zwar, dass es Wienkl überall geben werde, wo Erklärungsbedarf herrsche. Doch Eile scheint keine geboten. Auch das Weinheber-Denkmal am Schillerplatz wurde bisher nicht kontextualisiert. Der Heimatdichter Josef Weinheber, 1892 in Ottakring geboren, hatte u.a. den "von Gott gesandten Führer" verherrlicht. Um Vandalismus zu verunmöglichen, erhielt das Denkmal mit der 1940 geschaffenen Büste ein in das Erdreich eingelassenes Betonfundament. Die Stadt zementierte ihr Bekenntnis zu Weinheber förmlich ein.

Statisches Problem

Die Plattform Geschichtspolitik der Akademie der bildenden Künste legte das Fundament Ende Juni 2013 frei. Die Intervention "Weinheber ausgehoben" blieb nur drei Tage: Das Stadtgartenamt schüttete den Krater wieder zu. Mailath versprach damals eine Zeichensetzung. Doch die Freilegung habe sich nicht realisieren lassen: "Es gibt ein statisches Problem. Man müsste, sagen die Statiker, den Sockel verstärken. Das wäre paradox! Man will gerade als Symbol den großen Sockel freilegen – und dann müsste man diesen verstärken." Doch es gibt nicht einmal einen Wienkl. In der Akademie besteht der Verdacht, dass man Gras über die Sache wachsen lassen wolle.

Mailath-Pokorny widerspricht – und er betont, dass man zum Beispiel keinen Schlussstrich unter die Restitutionsdebatte ziehen dürfe. Solange Kunstgegenstände auftauchen, die in der NS-Zeit geraubt wurden, sei es "unsere moralische ebenso wie rechtliche Verpflichtung", die Fälle aufzuklären und die Kunstgegenstände zurückzugeben: "Wir haben zu früh die Decke des Schweigens darüber gebettet, als dass wir uns jetzt durch Verjährung diesem Unrecht wieder entziehen könnten."