Kultur

Giorgio Moroder: Zurück im „Sound der Zukunft“

Eigentlich war Giorgio Moroder „mehr oder weniger“ in Pension. Der 73-Jährige lebte ein beschauliches Dasein zwischen den Domizilen in Südtirol und Los Angeles. Doch voriges Jahr holten Daft Punk die lebende Legende zurück ins Studio: Weil Moroder 1977 mit Donna Summers „I Feel Love“ den ersten komplett elektronischen Song der Musikgeschichte produziert hatte und damit als Wegbereiter für House und Techno gilt, nahmen die Franzosen für ihr jüngstes Album „Random Access Memories“ mit ihm den Track „Giorgio by Moroder“ auf.

Seither ist die Produzenten-Legende wieder auf Tour und tritt am Samstag (23. 11.) beim Electronic Beats im MuseumsQuartier in Wien auf. Im KURIER-Interview erzählt Moroder, wie er darauf kam, Instrumente zu verbannen, und wie David Bowie ihn verblüfft hat.

KURIER: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Daft Punk?

Giorgio Moroder: Vor zwei Jahren hat mich Thomas, einer der beiden, angerufen und mir vorgeschlagen, etwas zusammen zu machen. Sie sind wohl Fans von mir, weil sie zu der Zeit anfingen, als „I Feel Love“ sehr bekannt war. Und weil Daft Punk einer meiner Lieblingsbands ist, habe ich zugesagt. Und seitdem das veröffentlicht ist, geht es bei mir rund – es gibt viele Interview-Anfragen, neue musikalische Aufträge und Anfragen für Auftritte. Es ist verrückt – aber toll.

Haben Sie, als Sie „I Feel Love“ gemacht haben, geahnt, dass der Titel so einen nachhaltigen Einfluss haben wird?

Nein, das war damals schon ein ziemliches Wagnis. Und dem Chef der Plattenfirma war das auch nicht geheuer, der war anfangs nicht sehr begeistert davon. Aber ich glaube, was den Erfolg ausgemacht hat, war dieser starke Kontrast zwischen Donnas romantischer, warmer und melodiöser Stimme und der mechanischen, kalten Struktur des Arrangements.

Wie kamen Sie darauf, erstmals kein einziges natürliches Instrument zu verwenden?

Ich habe mit Donna an einer Art Konzept-Album mit Songs im Sound der 50er-, 60er- und 70er-Jahre gearbeitet. Und dann wollte ich noch einen „Sound der Zukunft“ haben. Dazu gab es Ansätze in dem ersten „Star Wars“-Film, die gefielen mir aber nicht. Also dachte ich, ich muss das alles mit dem Synthesizer machen, habe mit dem Bass angefangen und den Track aufgebaut. Lustig ist, dass David Bowie mir erzählt hat, dass Brian Eno damals mit der Single „I Feel Love“ zu ihm ins Studio gekommen ist, ganz aufgeregt war und gerufen hat: „Ich habe den Sound der Zukunft gehört“.

Mit David Bowie haben Sie den Titelsong zum Soundtrack von „Cat People“ aufgenommen. Wie war es mit ihm?

Verblüffend. Wir trafen uns zum Dinner in Montreux und er las mir den Text vor, den er geschrieben hatte. Für den nächsten Tag hatten wir das Mountain -Studio von Queen, das dort im Casino war, gebucht. Ich fragte, wann wollen wir anfangen, und dachte, er sagt vier oder fünf Uhr am Nachmittag – weil noch kein Rocksänger je früher gekommen war. Er sagte, um neun Uhr gehen wir frühstücken und um zehn Uhr fangen wir an. So war es dann auch. Und er war so unglaublich professionell, dass er nur drei Takes gebraucht hat. In nicht einmal einer Stunde waren wir fertig. Paul Schrader, der Regisseur, war entsetzt, sagte, in so kurzer Zeit kann das nicht gut geworden sein. Aber er war schnell überzeugt, als ich es ihm vorgespielt habe.

Sie sind später von München nach Los Angeles gezogen und haben sich dort ganz dem Schreiben von Filmmusik gewidmet. Warum haben sie der Pop-Welt den Rücken gekehrt?

Daran ist auch „I Feel Love“ schuld. Alan Parker, der Regisseur von „Midnight Express“, wollte für eine bestimmte Szene etwas mit dem Feeling und der Dramatik von „I Feel Love“. Er sagte, wenn du mir dafür einen Hit schreibst, kannst du für den restlichen Soundtrack machen, was immer du willst. Dafür habe ich dann einen Oscar bekommen und bin dabei geblieben.

Was sind die Vorteile der alten analogen Synthesizer gegenüber den heutigen Computern?

Heute ist mit den Computern alles viel leichter. Damals mussten in riesig großen Maschinen Kabel zusammengesteckt werden. Und bei Computern hat der Ton A verlässlich 440 Herz. Bei den analogen Synthies war das immer schwierig. Als ich „I Feel Love“ aufnahm, musste ich alle acht Takte unterbrechen und die Stimmung wieder an die 440 Herz anpassen. Und das mit dem Sichern der Sounds war auch ein Problem. Als ich „Take My Breath Away“ von Berlin geschrieben habe, habe ich den Sound der Basslinie abgeändert und vermutlich auch gesichert. Aber drei Tage später habe ich ihn nicht mehr gefunden. Sie mussten den Bass vom Demo nehmen.

Wie erklären Sie sich dann, dass sehr viele junge DJ und Produzenten wieder großes Interesse an analogen Synthesizern haben?

Ehrlich gesagt, das wundert mich auch. Aber vielleicht liegt das am Erfolg von Daft Punk, denn die sind ja Spezialisten dafür.

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