Kultur

Nur noch acht Zimmer und vier Bedienstete

Der Erste Weltkrieg ist verloren, und gleich wird er zu Ende sein. In einer Villa in Hietzing sitzt die Witwe Ebenstein, schaut im Spiegel nach, ob sie mehr Falten hat als gestern und überlegt, wie das sein wird, wenn sie sich nur noch sieben, acht Zimmer und nur noch vier Bedienstete wird leisten können.

Jaja, der Krieg fordert harte Opfer. Soll die 40-Jährige wieder heiraten? Einen Schieber, einen Kriegsgewinnler? Liebe spielt bei ihr keine Rolle. Bei ihrer Tochter auch nicht. Es geht nur ums Geld.

Gähnen

"Die Front des Lebens" war 1928 ein Fortsetzungsroman in 81 Folgen in der Arbeiter-Zeitung.

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85 Jahre später ist er ein Buch mit 30 Kapitel geworden: Die Germanistin Veronika Hofeneder hat "Die Front des Lebens" aus dem Vergessen geholt – und damit auch die ungemein produktive Wiener Schriftstellerin Gina Kaus, eine gute Bekannte von Karl Kraus übrigens, die 1939 nach Hollywood geflüchtet war und sich zur Rückkehr nach Europa nicht mehr hatte entschließen können. Sie starb 1985, 92 Jahre alt.

Im Vorwort liest man von Marlene Streeruwitz: "Dieser Roman muss gelesen werden, weil er Unterhaltungsmethoden benutzt, die Wahrheit zu schreiben. So wird Literatur gemacht."

Er beginnt mit dem Satz "Der alte Stiaßny gähnte", von dem Karl Kraus angeblich schwerst beeindruckt war.

Steht in Gina Kaus’ Autobiografie "Und was für ein Leben ..." (1979).

Muss man aber trotzdem nicht glauben.

Einmalig

Nachvollziehbarer klingt die Begeisterung des gefürchteten Kritikers, sie habe "ein Talent zur Aufrichtigkeit".

Und am oftmals ausgesprochenen Lob, sie schreibe psychologisch brillant, gibt es gar nichts zu rütteln.

Gina Kaus war Schülerin des Individualpsychologen Alfred Adler. Als solche begnügt sich eine Schriftstellerin nicht mit der allgemeinen Feststellung, der Krieg habe alle traumatisiert.

Da kommt schon die Einmaligkeit jedes Menschen hinzu, und es gibt an der Front des Lebens eine Menge Kämpfe zum Austragen: wie man sich aus alten Rollen befreit ... wobei die Männertypen nach dem Krieg die größeren Probleme mit sich selber haben – nämlich damit, dass sie jetzt keine Helden mehr sind.

Am besten arrangiert sich der alte Stiaßny mit der neuen Zeit; und während sich Witwe Ebenstein trotz seines Vermögens nicht und nicht für ihn entscheiden kann, ehelicht der Stiaßny – ihre Tochter.

Und gähnt jetzt gar nicht mehr.

KURIER-Wertung: