Kultur

Gespenstisch in Schwarzweiß: Karl Böhm als Habjan-Puppe

Kritik. Auch der Doktor Böhm war gewissermaßen ein Herr Karl: zwar kein Mitglied der Partei, aber ein großer Profiteur des NS-Regimes. Der Grazer, 1894 geboren, wurde mit 40, ein Jahr nach der Machtübergabe an Hitler, aus seinem Vertrag als Hamburger Generalmusikdirektor entlassen, um an der Semperoper in Dresden Fritz Busch nachzufolgen, den man zum Rücktritt genötigt hatte. Neun Jahre später, 1943, wurde Böhm Direktor der Wiener Staatsoper. Und weil nur glücklich ist, wer vergisst, wurde der gefeierte Maestro 1955 ein zweites Mal berufen. Dass er sich den „Nazis“ zu sehr angedient hatte, wurde gerne übersehen – bei den Salzburger Festspielen wie in seiner Heimatstadt.

Paulus Hochgatterer und Nikolaus Habjan haben sich nun mit diesem musikbesessenen Karrieristen auseinandergesetzt. Just in Graz, am Schauspielhaus. Und sie wenden, um Böhms Biografie in die Gegenwart zu holen, einen Trick an: In der Rahmenhandlung beklagt sich ein steinalter Mann im Rollstuhl darüber, immer mit Karl Böhm (1981 gestorben) verwechselt worden zu sein: „Schauen Sie nicht so! Ich bin es nicht! Sie irren sich!“

Vielleicht ist diese lebensgroße, verblüffend realistische Klappmaulpuppe, die Habjan, einen rumänischen Pfleger spielend, führt, aber gar kein Doppel-, sondern ein Wiedergänger. Ein Untoter, der sein Leben Revue passieren lässt – und über dieses, um Frieden zu finden, Rechenschaft ablegt. Wenn der störrische Quälgeist gar zu gnädig mit sich (oder mit Böhm) umgeht, dann kon-trastiert Habjan die Szenen und Dialoge mit machtvollen Projektionen aus der NS-Zeit.

Für jede Epoche hat er eine eigene Böhm-Puppe geschaffen – alle gespenstisch in Schwarzweiß. Das Private allerdings wird völlig ausgespart; selbst die Frage, wie es sich einst in der Sternwartestraße in der arisierten Villa gelebt habe, bleibt unbeantwortet. Im Mittelpunkt steht der Dirigent, der bei den Proben die Musiker und Sänger, darunter Walter Berry, i-tüpfelreitend fertig macht. Meine Herren, das ist höchst unterhaltsam, bernhardesk und – trotz ein paar platter Momente (z. B. die Szene mit Karl Löbl) – grandios. Fabjan brilliert. Der Denkmalsturz ist allerdings nur ein behaupteter.