Kultur

Lange Partys, lange Finger

Erst Ende Mai hat George Ezra es geschafft, nach Budapest zu kommen. In einer Werbeaktion seiner Plattenfirma fuhr er mit dem Zug von London in die ungarische Metropole – ganz so wie es einst der Plan war, als der Newcomer durch Europa tourte, um sich bei Open-Mic-Nights vorzustellen.

Dass der Plan schiefging, bescherte dem gerade erst 21 Jahre alt gewordenen Singer/Songwriter mit deutlichen Einflüssen aus Folk und Blues einen originellen Durchbruchs-Hit. Denn in "Budapest" besingt er all die Dinge, die er für seine Freundin aufgeben würde – aber ohnehin nie gehabt hat.

Verschlafen

"Ich kam von einem tollen Auftritt in Berlin nach Malmö", erzählt er im KURIER-Interview. "Der Haken war nur, dass es der Abend des Eurovision-Song-Contests war. Ich hatte mir das nie angeschaut und wusste nicht, dass es da so viele Partys drumherum gibt. Ich bin mit zwei Mädchen zum Public Viewing in einen Park gegangen ... eine wirklich tolle Nacht. Aber ich habe zu viel getrunken, verschlafen und meinen Zug nach Budapest verpasst. So kam die Idee zu dem Song."

Genauso unbeschwert, verspielt und spitzbübisch sind auch die meisten anderen Songs, die Ezra auf sein eben erschienenes Debüt-Album "Wanted On Voyage" gepackt hat.

Denn mit "trüben Angst-Songs", sagt er, sei er nicht glaubhaft: "Ich hatte eine wunderbare Kindheit, da gibt es nichts zu beklagen und aufzuarbeiten. Also halte ich mich beim Schreiben lieber an Dinge, die ich sehe. Das menschliche Verhalten fasziniert mich dabei immer wieder – nichts ist verrückter!"

Spritztour

So schreibt er über Freunde, mit denen er – nach einer Party-Nacht gut angeheitert – ein Auto geklaut und nach einer Spritztour wieder zurückgebracht hat. Oder er macht sich in "Cassy O’" über seine eigenen "klischeehaften Gedanken über die Zeit" lustig.

Aber am liebsten lässt er sich von Konversationen fremder Leute im Pub inspirieren. "Ich höre verstohlen mit und denke mir Storys dazu aus. Ich liebe dieses Fabulieren und hinterfrage das auch gar nicht lang. Denn ich bin draufgekommen, dass alles, was ich assoziativ aufschreibe – wenn ich es ein paar Mal gesungen habe – schnell viel Sinn für mich macht."

Vorgetragen werden diese Songs mit einer bemerkenswerten Stimme, die sowohl in tiefen Lagen als auch in der Höhe so voll und reif klingt, als wäre Ezra gute zehn Jahre älter. Doch die sagt er, musste sich erst mit der Übung entwickeln.

"Ich war als Kind kein guter Sänger. Meine Schwester und mein Bruder konnten das. Aber über mich haben sie gesagt, dass ich falsch singe. Ich habe das nicht bemerkt. Ich habe das Singen so sehr geliebt, dass ich es einfach trotzdem getan habe. Dadurch habe ich eine kräftige Stimme bekommen."

Gelassen

Den Hype, der in den letzten Monaten um seine Person entstanden ist, nimmt der als George Ezra Barnett in Hertford geborene Musiker gelassen: "Ich kriege das ja gar nicht mit. Ich bin immer im Tour-Van. Und da interessiert sich keiner für mich. Diesbezüglich lebe ich in seliger Unwissenheit!"