Vom Kinderstar der Depressionsära zur Diplomatin
Ein Cocktail mit Ginger Ale und Grenadine-Sirup plus Maraschino-Kirsche wurde nach ihr benannt. Und ein Wolkenkratzer in New York durfte ihren Namen tragen. Shirley Temple war das Goldkind der 1930er-Jahre.
Ab 1935 war sie einige Jahre lang Hollywoods zugkräftigster Kassenstar. Shirley Temple hatte zwei Jahre später das siebthöchste US-Jahreseinkommen und verdiente damit mehr als der Präsident von General Motors.
Bilder: Kinderstar als Kassenmagnet
Filmwunderkind
Als sich "The Good Ship Lollipop", so ihr Spitzname nach einem ihrer berühmtesten Songs, mit 21 Jahren von der Kinoleinwand zurückzog und ihre erste Ehe beendete, hatte sie in 42 meist zuckersüßen Heile-Welt-Filmen gespielt, u. a. in "Der kleinste Rebell" (1935), "Rekrut Willie Winkie" (1937), "Heidi" (1937), "Die kleine Prinzessin" (1939) und "Fräulein Winnetou" (1939).
Eigentlich sollte sie auch die Hauptrolle in "Der Zauberer von Oz" übernehmen, doch ihre Produktionsfirma wollte ihren größten Kassenmagneten an kein anderes Studio ausleihen. Also bekam Judy Garland die Rolle.
Shirley Temple engagierte sich fortan im Sozialwesen und startete ihre zweite Karriere als Politikerin. Zunächst gewann die Mutter dreier Kinder die Sympathie der US-Frauenverbände und wurde Direktorin der Gesellschaft zur Bekämpfung der multiplen Sklerose in New York.
Die Republikanerin zog 1968 für Richard Nixon in den Wahlkampf und wurde zum Dank dafür in die US-Delegation bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen berufen.
Botschafterin in Prag
Zwei Pragern, die sie verfolgt hatten, aber statt des Ausweises Autogramme erbaten, war die Botschafterin kaltblütig gefällig.
Ihre Kindheit in Hollywood, erläuterte sie später ihr Verhalten, habe sie auf alle Lebenslagen vorbereitet.
Durch ihre Rolle in "Rekrut Willie Winkie" sei sie daran gewöhnt gewesen, Prügelpolizisten entgegenzutreten. In dem Streifen trat sie in Indien kurzerhand in die britische Armee ein (Wahlspruch: "Fürchte Gott, ehre die Königin, schieß genau und bleib sauber"), schulterte ihr Holzgewehr, ritt zu den bösen indischen Rebellen am Khaiber Pass und überredete sie, Frieden zu schließen.
Graham Greene, damals Filmkritiker, beschuldigte die Fox wegen dieses Filmes der "Ausbeutung Miss Temples zu unmoralischen Zwecken" und musste dafür mit 3500 Pfund Geldstrafe büßen.
Shirley Temple Black ist am Montagabend in ihrem Haus im kalifornischen Woodside eines natürlichen Todes gestorben, sagte ihre Agentin Cheryl Kagan. Ihre Angehörigen seien bei ihr gewesen.
"Wir verehren sie für ein Leben mit bemerkenswerten Leistungen als Schauspielerin, Diplomatin und vor allem als geliebte Mutter, Großmutter, Urgroßmutter und Ehefrau", hieß es in der Erklärung im Namen von Temples Familie. Die Vorbereitungen für eine private Beisetzung laufen, Fans könnten jedoch in Kürze auf der Webseite der Schauspielerin online kondolieren. "Wir bitten darum, dass unsere Familie die Gelegenheit bekommt, im privaten Kreis zu trauern", erklärte die Agentin am Dienstag weiter.
"Als Shirley Temple ein kleines Mädchen von sieben, acht Jahren war, war sie doch schon ein auf der ganzen Erde berühmter Filmstar, und die Firmen verdienten viele Millionen Dollar mit ihr. Wenn Shirley Temple aber mit ihrer Mutter ins Kino gehen wollte, um sich einen Shirley-Temple-Film anzuschauen, ließ man sie nicht hinein. Sie war zu jung. Es war verboten. Sie durfte nur Filme drehen. Das war erlaubt. Dafür war sie alt genug."
- Erich Kästner, aus: "Das doppelte Lottchen"