Wie man einen Terroristen findet
Von Peter Pisa
Damit man klar sieht, bevor „Die Todesliste“ garantiert noch mehr Ängste auslöst als die NSA-Affäre und das Handy-Abhören:
Frederick Forsyth hält den Ex-Geheimdienstler und Aufdecker Eduard Snowden für einen Verräter, und die Philosophie des heute 75-jährigen britischen Bestsellerautors lautet:
„Wenn man einen Terroristen unter einer Million Menschen finden will, dann muss man eben diese Million überwachen. Dieser Tatsache müssen wir Tribut zollen und auf einige unserer Menschenrechte verzichten.“
Seine Helden sind folglich die Geheimdienste.
Forsyths um sieben Jahre älterer Kollege John le Carré – siehe Bericht unten – sieht das etwas differenzierter und denkt seit „Der Spion, der aus der Kälte kam“ darüber nach, ob denn der Zweck immer die Mittel heilige ...
Ein Duell der alten Meister des Spionageromans.
Keine Namen
Wie findet man einen Terroristen? Das beantwortet Frederick Forsyth 40 Jahre nach seinem Welterfolg „Der Schakal“.
Dass er keinen Stil hat beim Schreiben, stört im hochaktuellen Thriller „Die Todesliste“ kaum: Das Buch ist fast eine Chronik, Menschen sind weniger wichtig als Drohnen und Computer. Die zwei wichtigsten Typen haben gar keine Namen.
„Der Prediger“ ist ein Islamist, der online mit vermummtem Gesicht seine Hassbotschaften verkündet.
Er steht neu auf der vom US-Präsidenten unterschrieben Liste (die es wirklich gibt) jener Terroristen, bei deren Beseitigung man sich um keine Gesetze zu kümmern braucht.
„Der Spürhund“ ist einer der rund 15 Menschenjäger der geheimen Organisation TOSA (die es wirklich gibt) mit Sitz in Virginia.
Zuhören
Forsyth schreibt realitätsnah. Er muss nicht viel erfinden. Einst war er Kriegsreporter und arbeitet immer noch so. Ein Bodyguard hat ihn auf seinen Recherchen begleitet. Seine Informanten ziehen es vor, am Ende des Buches nicht genannt zu werden.
In diesem globalen Krieg werden Drohnen eingesetzt, die auch in 15 km Höhe genau registrieren, was in einem bestimmten Objekt geflüstert wird. Wer braucht da noch Telefone abzuhören? Sie sehen auch jeden einzelnen Nagel am Dach. Aber gut, auf die Nägel soll’s nicht ankommen.
Vorbild für Forsyths Aktion, die über Pakistan in ein Lagerhaus inmitten der somalischen Piraten führt, war die Jagd auf den Al-Kaida-Führer Anwar al-Awlaki. Der hatte übers Internet unauffällige Amerikaner aus ihrer Gesellschaft gerissen und in Attentäter umfunktioniert. 2011 war Awlaki im Norden Jemens aufgespürt und von einer Drohne getötet worden.
Man will’s ihm ja gar nicht zugestehen. Aber Frederick Forsyths 14. Roman hat Wirkung.
KURIER-Wertung:
In England stieg „Empfindliche Wahrheit“, John le Carrés 24. Buch, sofort auf Platz eins der Bestsellerlisten ein. Die Übersetzung erscheint erst am 2. Dezember; und es ist wieder ein Duell mit seinem Landsmann Frederick Forsyth geworden wie schon vor drei Jahren.
Damals zeigte Forsyth in „Cobra“, wie man im Kampf gegen Kokain gewinnt, wenn man sich an keine Regeln hält. Und le Carré fand in „Verräter wie wir“ mafiöse Verbindungen bis in Tony Blairs Regierung. Er hat zur FAZ selbst einmal gesagt: „Die meisten meiner Bücher handeln tatsächlich von ein und derselben Frage: Was sind wir unserer Menschlichkeit schuldig?“
In „Empfindliche Wahrheit“ geht’s allein darum. Es ringt der Autor mit der Zeit und seinem Gewissen, und seine Figuren tun es ebenso. So viel kann schon verraten werden: In der britischen Kolonie Gibraltar findet eine geheime Anti-Terror-Operation statt. Dafür hat sich der Verteidigungsminister mit einer internationalen Sicherheitsfirma zusammengetan. Ein islamistischer Waffenhändler soll entführt werden. Es geht schrecklich schief, alles wird vertuscht, im gut Gemeinten steckt Böses.