Kultur

Frauenversteher malen anders

Es ist das schmutzige Geheimnis der Wiener Moderne: Wenn es um den Umgang mit Frauen geht, sieht die viel beschworene Fortschrittlichkeit ihrer Protagonisten oft ziemlich hohl aus.

Aus Sicht des Tourismus ist das egal, denn Gustav Klimts Ruf als „Maler der Frauen“ und die aufwühlenden Liebesgeschichten von Egon Schiele und Oskar Kokoschka besitzen auch nach 100 Jahren genug Strahlkraft, um Besucher anzulocken.

Die Schau „Klimt / Schiele / Kokoschka und die Frauen“ im Unteren Belvedere (bis 28.2. 2016) kann und will diese Zugkraft nicht negieren oder gar torpedieren – mit einer großen Zahl von Hauptwerken der Maler ist sie dazu angetan, zu einem Touristenmagnet und einer „Must-See“-Ausstellung für jene zu werden, die am Thema „Wien um 1900“ interessiert sind.

Zugleich aber gebietet es der wissenschaftliche Anspruch des Museums, einen neuen Blick auf das Verhältnis der Star-Künstler zu Frauen zu werfen. Hier hinterlässt die Schau einen sehr zwiespältigen Eindruck – wobei der Zwiespalt in den Bildern selbst angelegt ist.

Feminismus fehlt

Die Kuratoren – die New Yorker Schiele-Expertin Jane Kallir sowie Belvedere-Vizechef Alfred Weidinger – versuchen nicht, Klimt, Schiele und Kokoschka retrospektiv ein feministisches Mäntelchen umzuhängen: „Feminismus“ war in jener Zeit eher ein Schimpfwort, das Verweichlichung und Dekadenz meinte; die herrschende Klasse verwehrte sich gegen die damals aufkommenden Bestrebungen nach Gleichberechtigung.

Damen als Dekoration

Gustav Klimts Damenbildnisse – in der Schau sind mit „Mäda Primavesi“ (1913/’14) und „Hermine Gallia“ (1903/’04) zwei berühmte Hauptwerke aus Japan bzw. London angereist – rütteln nicht an der alten Ordnung: Die Frauen gehen hier in der Raumdekoration auf.

Die weiteren Kapitel der Schau – „Mütter und Kinder“, „Paare“ und „Akte“ – lassen zwar öfters Widersprüche zu dominanten, männerzentrierten Sichtweisen zu. Die Darstellung von masturbierenden Frauen und Paaren beim Sex nimmt einigen Raum ein, doch lässt sich daraus kaum weibliche Selbstermächtigung ableiten: Geradezu erschreckend ist jene Schiele-Zeichnung, in der der Künstler 1916 seine eigene Frau abbildete, die sich mit einer Hand selbst befriedigt und die andere verschämt vors Gesicht hält.

Oskar Kokoschka, der nach seiner obsessiven Beziehung zu Alma Mahler lange Zeit kein balanciertes Verhältnis zu Frauen aufbauen konnte, bleibt in der Schau ein wenig im Schatten: Über weite Strecken sind es Bilder von Müttern, Madonnen und Kindern, die von einem Bedarf nach sicherer Distanz zum Erotischen erzählen.

Doch Verunsicherung bleibt bei allen drei Protagonisten ein bestimmendes Element in der Beziehung zum anderen Geschlecht. Die Belvedere-Schau erhält dadurch einen paradoxen Charakter: Noch nie waren so viele Hauptwerke Klimts, Schieles und Kokoschkas zum Thema „Frauen“ an einem Ort versammelt – und noch nie fiel es so schwer, die drei Maler dafür zu bewundern.