Gegen Zensur, für Neuland: Buchmesse als Polit-Spiegel
Von Evelyn Peternel
"Wo das Reden aufhört, beginnt die Gewalt." Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, zitiert gern Hannah Arendt, wenn er nach den Schwerpunkten seiner Messe gefragt wird. Man habe sich der "Idee der Aufklärung" verschrieben – Zensur, Meinungsfreiheit, Europas Krise und der Islam sind die Themen, die von 19. bis 23. Oktober neben dem klassisch-literarischen Programm verhandelt werden.
Einen Eklat wie 2015, als der Iran die Messe boykottierte, weil Salman Rushdie die Eröffnung vornahm, ist heuer zwar nicht zu erwarten, die Schwerpunktsetzung kann aber als Konsequenz dessen gesehen werden. Mit Elif Shafak hat die Messe eine Autorin auf ihrer Einladungsliste, die über die Situation in ihrem Heimatland Türkei erzählen kann; mit dem Algerier Boualem Sansal einen Autor, der in seiner Heimat selbst gegängelt wird; mit Martin Schulz einen Politiker, der sich gegen den Zerfall Europas und für die Freiheit des Wortes engagiert. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden deshalb erhöht – "wir erwarten Auseinandersetzungen und auch Demonstrationen", sagt Buchmesse-Sprecherin Katja Böhne.
Virtuelle Realität
Abseits davon betritt die größte Medienschau der Welt Neuland, ganz im Sinne von Angela Merkels denkwürdigem Ausspruch. "Viele Verlage experimentieren mit 3-D-Vorschauen", sagt Böhne, Digitalisierung und Virtual Reality stünden deshalb im Fokus. Dafür hat wagt man sich über die Grenzen der eigenen Gattung hinaus. "The Arts+" zeigt als Messe in der Messe, wie der Kunstmarkt mit der Digitalisierung umgeht. Der Künstler David Hockney, der mit dem iPad als Mal-Utensil experimentiert, soll als Eröffnungsredner eine Schnittstelle zwischen Kunst, Literatur und Digitalem aufmachen. "Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen, disruptiven Entwicklung", sagt Böhne – auch hier hält die Buchmesse die Idee der Aufklärung hoch.