Kultur

"Foxcatcher": Sportfreunde Ringer

Wie ein Horrorfilm in Zeitlupe entrollt sich das Drama einer seltsamen Männerfreundschaft. Unterschiedlicher könnten sie kaum sein – der amerikanische Multimillionär John du Pont und sein Sportsfreund, der Olympiasieger im Freestyle-Ringen, Mark Schultz. Was sie verbindet, ist die Liebe zum Sport und der Wille zum nächsten Olympia-Sieg in Seoul 1988.

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Dass ausgerechnet Steve Carell, berühmter Spaßmeister und "Jungfrau (40), männlich, sucht ...", als John du Pont ein ganz anderes Gesicht zeigt, macht die Sache noch unheimlicher – und brachte ihm eine Oscarnominierung.

Natürlich ist es auch die Hakennase, die man Carell für seine Rolle ins Gesicht gepflanzt hat und die ihn fast unkenntlich macht. Den Kopf vogelartig zurückgelegt, scheint er sein Gegenüber immer von hinter der Nase aus anzusprechen ("Nenn mich Adler, oder Goldener Adler"). Als John du Pont bewegt sich Carell wie ein Automat und spricht wie ein Untoter. Eine einsame Wachsfigur und geborener Verlierer, der nur dank seines Vermögens Menschen an sich bindet und seine Siege auf selbst gesponserten Turnieren erkauft.

Denn du Pont liebt den Ringsport, was seine noble Mutter – Vanessa Redgrave als Liebhaberin edler Rennpferde – mit Verachtung straft ("niedere Sportart"). Daher liebt du Pont auch Mark Schultz, einen bulligen Champion, der im Schatten seines Bruders Dave Schultz steht und kein eigenes Leben findet. Der Superreiche holt den verarmten Mark auf sein gigantisches Anwesen, stellt ihm ein eigenes Haus zur Verfügung und bietet ihm seine Freundschaft als Mentor.

Dumpfbacke

Channing Tatum, dessen Minenspiel nie viel Ausdruckskraft bietet, bringt dafür seinen massiven Körper zum Sprechen. Allein, wie er mit hängenden Armen diese spezielle Mischung aus Dumpfbacke und Hypersensibilität verkörpert, macht ihn zum kongenialen Spielpartner – sowohl für den emotionstoten Carell, als auch für den warmherzigen, lebhaften Ausdruck von Mark Ruffalo, der Marks älteren Bruder Dave darstellt.

Regisseur Bennett Miller ("Moneyball") holt das Maximum an emotionaler Tiefe allein aus den Beobachtungen der Ringkämpfe heraus. Das Verhältnis der Brüder Dave und Mark erzählt er unfassbar schön gleich zu Beginn mit einer Trainingsrunde: Die Männer halten einander eng umklammert, ihre Bewegungen sind vorsichtig-liebevoll, dann schnell-aggressiv. Am Ende des Trainings blutet Mark aus der Nase und kehrt in seine triste Single-Wohnung zurück. Die bedrückende Atmosphäre bleierner Farben zieht sich durch alle Behausungen – egal, ob es sich um dumpfe Zimmer oder Herrschaftsräume handelt. Du Pont beschwört Kalter-Krieg-Patriotismus, lässt Panzerwagen vorfahren und hisst die US-Flagge. Was genau Miller damit über Reagan-Amerika sagen will, bleibt etwas in Schwebe. Aber mit welcher Wucht er das grausame Scheitern von Freundschaft und Loyalität erzählt, ist atemberaubend. Da scheint es beinahe unnötig zu erwähnen, dass die Geschichte auf wahren Ereignissen beruht.

KURIER-Wertung:

INFO: Foxcatcher. USA 2014. 129 Min. Von Bennett Miller. Mit Steve Carell, Channing Tatum.

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Regisseur Michael Mann ist ein Connaisseur urbaner Oberflächen, nächtlicher Häuserschluchten und neonbeleuchteter Skylines. Egal, ob er Tom Cruise durch ein einsames Los Angeles steuerte ("Collateral") oder Robert De Niro und Al Pacino zum Duell in "Heat" antreten ließ – immer bestechen seine Bilder durch ihre hochpolierte, stilversessene, meist nachtschwarze Schönheit.

In "Blackhat" ruft ein anonymer Hacker den Cyberkrieg aus und bringt damit ein chinesisches Atomkraftwerk zum Kollabieren. Amerikanische und chinesische Spezialeinheiten müssen sich im gemeinsamen Abwehrkampf zusammentun: Auf Seiten der USA kämpft der schöne Chris Hemsworth als Cyberspezialist neben der chinesischen Kollegin Tang Wei und formt schon bald darauf mit ihr das obligatorische Liebespärchen. Wieder einmal holt Mann das Maximum aus seinen charismatischen Locations (Hongkong, Malaysia) und kaschiert die etwas verwirrte Story mit eleganter Action.

KURIER-Wertung:

INFO: Blackhat. USA 2015. 133 Min. Von Michael Mann. Mit Chris Hemsworth, Tang Wei, Viola Davis, Wang Leehom.

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Eben noch Putzfrau, plötzlich Prinzessin. Jupiter heißt die Auserwählte, die direkt von ihrer russischen Großfamilie in Chicago und ihrem Job als Kloputzerin in eine andere Galaxie gebeamt wird, wo man sie nur noch mit Eure Majestät anspricht. Aber auch Eure Majestät hat Feinde, und wäre da nicht ein spitzohriger Wolfskrieger als Beschützer, Jupiter hätte ihre neue Herrlichkeit nicht lange überlebt. "The Wachowskis" – Lana (vormals Larry) und Andy Wachowski – gelten spätestens seit ihren "Matrix"-Filmen als Markenzeichen.

In "Jupiter Ascending" schwelgen sie in digitalen Zukunftswelten, wo die Bevölkerung futuristische Kathedralen bewohnt und sich mit spektakulären Raumschiffen fortbewegt. Ein dynastischer Kampf unter Geschwistern bricht aus, Jupiter wird zum Spielball der Interessen. Zwar bevölkern die Wachowskis ihre Sci-Fi-Märchenwelten mit vielen "queeren" Figuren, lassen doch letztlich Gender-Rollen völlig intakt. Channing Tatum als Wolfskrieger darf Mila Kunis (Jupiter) ungefähr fünf Mal pro Stunde das Leben retten. Jupiter Ascending.

KURIER-Wertung:

INFO: USA 2015. 127 Min. Von Andy und Lana Wachowski. Mit Mila Kunis, Channing Tatum.

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Carla kann sich nicht entscheiden – zwischen Maniküre, Shiatsu und Shopping. Sie ist die reiche Ehefrau eines skrupellosen italienischen Hedgefond-Managers auf der Suche nach sinnvoller Beschäftigung. Dino ist der schmierige Vater einer Teenager-Tochter, die mit dem Sohn Carlas liiert ist. Als kleiner Immobilienmakler wittert er bei den reichen Bernaschis das große Geschäft. Seine Tochter Serena liebt den reichen jungen Mann aber nicht mehr, sondern hat ihr Herz längst jemand anders geschenkt. Ein Unfall verzahnt die Schicksale der Personen und radikalisiert deren gesellschaftliche Positionen.

Regisseur Paolo Virzi erzählt die gleiche Handlung drei Mal aus jeweils anderer Perspektive – und leistet eine brisante Mischung aus Thriller, Wirtschaftskrimi und Liebesgeschichte.

KURIER-Wertung:

INFO: Die süße Gier. I 2013. Von Paolo Virzi. Mit Valeria Bruni Tedeschi, Fabrizio Bentivoglio, Matilde Gioli.

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Nick Cave sitzt im Auto, kurvt durch die verregnete Landschaft um seinen Heimatort Brighton. Neben ihm Blixa Bargeld. Sie plaudern. Und mehr als zehn Jahre, nachdem Bargeld bei Caves Band The Bad Seeds ausgestiegen ist, fragt Cave ihn das erste Mal nach dem Grund.

Das ist nur einer von vielen intimen Momenten, die das Regisseur-Duo Jane Pollard und Iain Forsyth für den am Freitag in Österreich startenden "Doku-Fiktion" -Film "20.000 Days on Earth" eingefangen hat. "Wir wussten, dass es eine tiefe Liebe zwischen Nick und Blixa gibt. Aber auch, dass sie nie darüber gesprochen hatten, wie und warum ihre Zusammenarbeit enden musste", erzählt Jane Pollard im KURIER-Interview. "Wir hatten für die Szene weder Fragen noch ein Script vorgegeben. Aber wir dachten, wenn wir sie in diesem intimen, begrenzten Raum eines Autos zusammensetzen, könnte das Thema aufkommen."

Einfühlsam

Ähnlich lief es mit Kylie Minogue, mit der Cave seinen Hit "Where The Wild Roses Grow" aufgenommen hat: 20 Minuten im Auto, mit der Kamera draufhalten und darauf vertrauen, dass durch das gezielt gewählte Umfeld etwas Interessantes passiert.

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Einfühlsam verweben Pollard und Forsyth derart improvisierte Szenen mit inszenierten, für die Cave selbst das Script lieferte: Ein fiktiver Tag in seinem Leben vom Aufstehen bis zum Abendspaziergang. Dazwischen schreibt er in seinem Arbeitszimmer Songs, er trifft den langjährigen Mitstreiter Warren Ellis zum Aal-Essen, geht ins Studio und spielt ein Konzert. Und zu Bildern, die seinen Alltag zeigen, rezitiert er Texte, die in typischer Cave-Poesie seine Vision von Kunst und dem eigenen Schaffensprozess darlegen.

Es war genau dieser neue Ansatz, eine Dokumentation zu gestalten, die den anfangs skeptischen Cave überzeugte, "20.000 Days on Earth" zu machen.

"Wir kennen Nick schon lange, haben viele seiner Videos gedreht. Anfangs war er entsetzt über die Idee. Er schaut lieber nach vorne und denkt an das nächste Projekt. Er hatte Angst, dass er dafür sehr viel Zeit damit verbringen müsse, die Vergangenheit zu analysieren."

Mystisch

Aber Forsyth und Pollard dachten nicht an einen konventionellen Dokumentarfilm, der Caves Lebensgeschichte aufarbeitet: "Wir wollten nicht journalistisch seine ,wahre Persönlichkeit‘ suchen und zerpflücken, sondern mit seinem Intellekt und seinen Ideen arbeiten, dass die Zuseher Teil der mystischen Figur werden können, die er erschaffen hat. Und wir wollten zeigen, wie er geworden ist, wer er heute ist."

Dafür entwickelten Forsyth und Pollard Szenen, in denen Cave mit einem Psychiater über seinen Vater, die erste Liebe und die Kindheit spricht oder in einem fiktiven Cave-Archiv den Archivaren die Storys zu alten Fotos liefert.

Auf die Idee, den fingierten Tag als den zwanzigtausendsten Lebenstag zu titulieren, kamen Pollard und Forsyth aufgrund eines Eintrags in Caves Notizbuch. "Nick schreibt darin alle Song-Ideen auf und zeigte es uns, damit wir einen Eindruck davon bekommen , was ihn gerade beschäftigt."

Eine Song-Idee, die Cave darin notiert, aber nie fertig ausgeführt hatte, hieß "19.954 Days On Earth". "Das war eine Zahl, die er angenommen hatte", erklärt Forsyth. "Er ließ dann aber seine Sekretärin ausrechnen, wie viele Tage er schon auf der Erde verbracht hat. Dabei kam sie drauf, dass der Tag, an dem er das erste Mal für das Album ,Push The Sky Away‘ ins Studio geht, der Zwanzigtausendste ist. Wir fanden, dass das ein guter Titel ist, weil der Tag eine gewisse Signifikanz, andererseits aber auch keine wirklich wichtige Bedeutung hat."

Der Trailer zum Film

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Die Werbetrommel wurde von höchster Stelle gerührt: Selbst US-Präsident Obama hatte dazu aufgerufen, ins Kino zu gehen und sich die umstrittene Komödie "The Interview" anzusehen. In Österreich kann man dies ab kommenden Freitag tun.

Dabei entwickelte sich die Mediensatire längst zum Kassenschlager: Bei Jahresbeginn hatte sie bereits 36 Millionen Dollar eingespielt, 31 Mio. davon im Internet, wo der Film ebenfalls startete.

Dabei sah es anfangs trüb aus: Die US-Komödie, in der zwei Talkshow-Macher nach Nordkorea reisen und dort während eines Interviews den Machthaber Kim Jong Un umbringen wollen, verstimmte Nordkorea, provozierte einen Hacker-Angriff auf das Sony Filmstudio und trieb Amerikaner und Nordkoreaner in einen unerklärten Cyberkrieg.

Komisches Duo

Doch jenseits aller politischen Querelen kann man guten Gewissens festhalten: Seth Rogen und Film-Buddy James Franco sind ein verlässlich komisches Duo; das weiß man spätestens seit der Hollywood-Apokalypse "Das ist das Ende".

Auch "The Interview" ist viel mehr gewitzte Parodie auf das amerikanische TV-Business als politische Satire: Franco spielt Dave Skylark, einen eitlen Fernsehmoderator, der sich auf pikante Geheimnisse von Promis spezialisiert hat. So gesteht ihm Eminem live vor der Kamera, dass er schwul ist, während sich Rob Lowe als Glatzkopf outet. Skylarks Redakteur Aaron – herrlich verkniffen: Seth Rogen – strebt aber nach einem harten Polit-Interview. Da trifft es sich gut, dass der nordkoreanische Führer Kim heißer Fan von Skylark ist. Die beiden brechen nach Nordkorea auf, allerdings nicht, ohne vorher von der CIA den Killerauftrag zu bekommen ("Take him out." "To dinner?")

Skylark und Kim verstehen sich prächtig, toben über ein Basketball-Feld und machen Party. Erst nach und nach dämmert dem einfältigen Skylark, dass er nicht auf Sommercamp ist.

Fröhlich blubbert anarchischer Witz mit viel Anal-Schmäh vor sich hin (natürlich muss Aaron eine Giftkapsel in der Größe einer Handgranate in seinem Hintern verstecken) – und explodiert schließlich im großen Diktator-Kill.

KURIER-Wertung:

INFO: The Interview. USA 2014. 112 Min. Von Seth Rogen, Evan Goldberg. Mit S. Rogen, James Franco.

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