Filmkritik zu "Die Berufung": Richterin im Retro-Look
Ihre Anhänger nennen sie einfach nur „RBG“. Ihr Gesicht mit der großen Brille ist auf T-Shirts und Tassen abgebildet. Und in der Kult-Comedy-Sendung „Saturday Night Live“ wird sie regelmäßig parodiert. Vor allem seit dem Wahlsieg von Donald Trump wird die nur 1,55 Meter kleine Richterin Ruth Bader Ginsburg von linksliberalen Amerikanern als große Pop-Ikone verehrt.
Mit ihren bald 86 Jahren ist Ruth Bader Ginsburg die älteste Richterin am amerikanischen Höchstgericht, die bis heute für die Gleichstellung der Geschlechter vor dem Gesetz und im Alltag kämpft. Das Drehbuch zu diesem, von üppigem Retrolook geprägten Biopic wurde von einem Neffen Ginsburgs geschrieben. Leider porträtiert er seine Tante in ihren Jugendjahren bisweilen als allzu naiv „kämpferische Ruthy“. Trotzdem vermag es Ginsburg-Darstellerin Felicity Jones, die spätere Powerfrau spürbar zu machen, deren erste Schritte ins Berufsleben alles andere als leicht waren. Denn trotz herausragender Noten und Harvard-Abschluss als Jahrgangsbeste soll ihr eine Karriere als Richterin aufgrund ihres Geschlechts verwehrt bleiben. Gemeinsam mit ihrem Mann sucht Ginsburg nach einem Präzedenzfall, der Absurdität und Ungerechtigkeit der Geschlechterdiskriminierung verdeutlichen kann.
Steilvorlage
Der sehenswerte Spielfilm von Regisseurin Mimi Leder hat allerdings gegen eine steile Vorlage anzukämpfen. Gegen die schon im Vorjahr angelaufene, oscarnominierte Doku „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“. Darin ist Ginsburg persönlich zu sehen. Im Obersten Gerichtshof, beim Theaterspielen und im Fitnessstudio. Diese privaten Einblicke hatten eine Wucht und einen Humor, die dem Spielfilm etwas fehlen.
Text: Gabriele Flossmann
INFO: USA 2018. 120 Min.Von Mimi Leder. Mit Felicity Jones, Armie Hammer.