Kultur

"Figaro" der kleinen Leute, gar nicht bieder

Die Wiener Staatsoper holt ihn immer wieder als Rocco in „Fidelio“. Zuletzt war Lars Woldt in dieser Partie im März auch im Theater an der Wien in der umstrittenen Inszenierung von Herbert Föttinger mit Nikolaus Harnoncourt am Dirigentenpult: „Die Regie hat viel abgekriegt. Aber ich als Sänger mit Lust auf Schauspiel konnte enorm viel von Föttinger lernen.“

Es ist jetzt für Woldt „ein bisschen wie Nach-Hause-Kommen“ in die Volksoper, deren Ensemblemitglied er bis 2010 war, um dann für zwei Jahre an die Staatsoper zu wechseln. Der Bass ist ab Samstag als Schulmeister Baculus in der Neuproduktion von Lortzings „Der Wildschütz“ im Haus am Gürtel zu hören – ein Rollendebüt für den begehrten Tieftöner, der aus Nordrhein-Westfalen stammt und durch seine Frau zum Wahlwiener wurde.

International gefragt

„Die Volksoper ist für mich so eine Art musikalische Heimat geworden“, sagt Woldt im KURIER-Gespräch. „Es war nicht mein erstes Engagement, aber hier konnte ich mich zum ersten Mal in wirklich großen Partien präsentieren.“ Mit dem „Freischütz“ begann die internationale Karriere: „Da ergab sich eine Reihe von Engagements an anderen Häusern.“ Und neben dem Kaspar ist der Baron Ochs die Rolle, nach der er am häufigsten gefragt wird.

So ist Woldt für den „Rosenkavalier“ im nächsten Jahr in Glyndebourne engagiert, außerdem bei den BBC-Proms in London ... Und im Theater an der Wien in der nächsten Saison in Viktor Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis“.

Ein existentielles Standbein ist für Woldt seit Herbst 2011 die Gesangsprofessur in Detmold, die er als Nachfolger des nach Berlin übersiedelten Thomas Quasthoff übernommen hat: „Und die andere Hälfte des Jahres sind wir unterwegs zu Gastspielen – und dabei eben häufig auch in Wien. Da war es zum Beispiel etwas ganz Besonderes, mit Christian Thielemann ,Das Rheingold‘ zu machen.“

Und Lortzing? „Ich hatte immer eine große Schwäche für die deutsche Spieloper, weil sie für einen jungen Bassisten die beste Möglichkeit ist, sich in großen Partien zu präsentieren.“ Denn erst jetzt mit 40 Jahren lasse sich für ihn als Sänger auch Wagner „seriös verkaufen“, was vor zehn Jahren noch nicht ging.

„Der Wildschütz“ sei schon zu Recht – wie sein Spitzname sagt – der „Figaro“ der kleinen Leute: Gar nicht bieder und mit vielen Spitzen etwa gegen den Adel.

Regisseur Dietrich Hilsdorf verpasste der Produktion den neuen Untertitel „Ein unmoralisches Angebot“ und lenkt den Fokus damit von den Ausschweifungen der Aristokratie auf ein anderes Moment der Handlung: Baculus will seine Braut Gretchen an den Baron Kronthal verschachern – „für 5000 Taler“. In der berühmten gleichnamigen Arie sieht sich Baculus schon als glücklicher „Kapitalist“. Das sei doch „sehr heutig, dass jemand völlig durchdreht“, so Woldt, „wenn er plötzlich mit einem märchenhaften Reichtum konfrontiert wird.“