Ferry-Dusika-Stadion: Wiener Bekenntnis zu einem Ariseur
Von Thomas Trenkler
Anfang Juli 2013 wurde die umfangreiche Studie über die „Wiener Straßennamen als ,Politische Erinnerungsorte’“ präsentiert. Unter der Leitung des Zeitgeschichtlers Oliver Rathkolb hatte eine Kommission nach zweijähriger Recherche 159 kritische Benennungen von Verkehrsflächen gefunden. Deren Namensgeber waren unter anderem Antisemiten oder „dem Nationalsozialismus politisch zu nahe gekommen“. Hoch interessant waren die Recherchen von Peter Autengruber, Mitglied der Kommission, über den Radrennfahrer Ferry Dusika (1908 bis 1984), nach dem nicht nur eine Gasse im 22. Bezirk, sondern auch ein Stadion benannt ist.
Dusika, Bronzemedaillengewinner bei der Rad-WM in Rom 1932, trat nach dem „Anschluss“ als Ariseur in Erscheinung: Im Jänner 1939 erhielt er von der „Vermögensverkehrsstelle“ die Genehmigung zur „Übernahme“ des Fahrradgeschäftes von Abraham Adolf Blum in Floridsdorf. Die NSDAP bestätigte, dass Dusika Mitglied der Partei sowie SA-Oberscharführer sei. Dusika stellte die von ihm herausgegebene Radsportzeitschrift in den Dienst des Nationalsozialismus. Der „Anschluss“ 1938 wurde begrüßt: „Ein langersehnter Traum vom großen Reich der Deutschen ist endlich in Erfüllung gegangen! Wir alle, vor allem wir Sportler, sind jetzt Streiter geworden. Soldaten einer neuen Idee (…) Und über uns allen steht der Führer. Ihm wollen wir dienen, für ihn wollen wir streiten. Denn er war unser Retter aus höchster Not.“
Wenig später rechnete Dusika mit den Radsportfunktionären vor 1938 ab, durchaus mit antisemitischer Note, wie Peter Autengruber in seinem Beitrag für die Studie anmerkt: „Gott sei Dank, dass wir von diesen unfähigen Diktatoren des Sports erlöst wurden und auch der Mann, gegen den unser Kampf im Besonderen ging, wird von der Bildfläche verschwinden. Schlesinger ist ein Judenmischling und somit im neuen Deutschland unmöglich. Seine diktatorische Herrschaft, gepaart mit nicht zu überbietender Unfähigkeit, hat dem Radsport viel Leid und Misserfolg gebracht. Auch das ist zu Ende.“
Nach dem Ende des Dritten Reiches behauptete Dusika allerdings: „Meine Tätigkeit war rein sportlich, mit der richtigen, politischen SA hatte ich nie etwas zu tun.“ Die Verfahren vor dem Volksgerichtshof wegen Registrierungsbetrugs, Illegalität und missbräuchlicher Bereicherung wurden letztlich eingestellt. Dusika konnte seine aktive Karriere fortsetzen, seine Radsportbücher, darunter „Der erfolgreiche Radrennfahrer“, erschienen in der Besatzungszeit beim kommunistischen Globus-Verlag.
Nach der Präsentation der Studie, unter dem Titel „Umstrittene Wiener Straßennamen“ auch als Buch erschienen, fragten sich einige, ob ein Ferry-Dusika-Stadion heutzutage noch tragbar bei. Das Bezirksparlament von Wien-Leopoldstadt sprach sich schließlich für eine Umbenennung aus. Und man suchte nach einer Radsportpionierin, die als Namenspatronin fungieren könne.
Im März 2014 erinnerte Fritz Neumann im Standard daran, dass Dusika einer 28-köpfigen „Schlüsselgruppe“ zuzurechnen ist, bei der man „nicht zur Tagesordnung übergehen sollte“. Er schrieb: „Zeit seines Lebens in Wien hoch angesehen, machte er Helmut Zilk und Dagmar Koller den Trauzeugen. Nach Dusikas Tod 1984 erhielt Zilk die Dusika-Villa in Portugal, und das Wiener Hallenstadion erhielt den Namen Dusika-Stadion.“
Fünf Jahre später heißt das Stadion immer noch nach Dusika. Von der Idee der Umbenennung ist man abgekommen: Auf Nachfrage teilte das Kulturamt mit, dass (wie auch beim Straßenschild Dusikaweg) eine Zusatztafel angebracht werde. Angeblich noch in diesem Sommer ...