"Falsche Tatsachen": Freiheit statt Fake News
Der Wunsch, mit Hilfe falscher Behauptungen Tatsachen zu schaffen, ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Er liegt auch der bekanntesten Urkundenfälschung der österreichischen Geschichte zugrunde, welche das Selbstverständnis des Hauses Habsburg im Gefüge der politischen Großmächte Europas bis 1918 wesentlich prägte und als Schöpfung eines jungen und ehrgeizigen Politikers bis heute fasziniert: dem sogenannten „ Privilegium Maius“. Eine Ausstellung im Kunsthistorischen Museums (KHM) mit dem Titel "Falsche Tatsachen" geht der Entstehungsgeschichte nach.
Die Eröffnung fand Montagabend statt, die Festrede hielt Helmut Brandstätter. Der KURIER-Herausgeber schlug unter dem Titel "Freiheit statt Fake News – Vom Privilegium maius zum ,Privilegium Maximus'" den Bogen in die Gegenwart und zum kritischen Journalismus. Hier seine Rede:
Das Privilegium maius ist ja ein Teil der österreichischen Rechtsgeschichte, und die durfte ich in einem anderen Haus am Ring studieren, in der Alma Mater Rudolphina, die wir, wie Sie wissen, auch Rudolf IV. verdanken. Fast auf den Tag genau vor 40 Jahren hat man mir dort eine sicherlich ganz echte Urkunde überreicht, die mich – in Latein gehalten - als virum clarissimum zum Doctoris juris ernannt hat.
Im Rahmen des Jusstudiums haben wir die Entwicklung des Rechts bis zum heutigem Rechtssystem gelernt, wir haben auch versucht, das ewige Spannungsfeld zwischen Recht und Macht zu verstehen, das es in jeder Gesellschaft gibt, ein Spannungsfeld, mit dem die Demokratie Tag für Tag bewusst umgehen muss. Wir haben gelernt, dass Gerichte Recht sprechen, nicht Gerechtigkeit, diese muss im gesellschaftlichen Ausgleich gefunden werden.
Demokratie und die dazu gehörenden Spannungen durften wir als Studentenvertreter sogar im Alltag erleben und erlernen. Meine Generation war die erste, die - zum großen Unverständnis vieler Professoren - nach dem neuen Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1975 mitbestimmen durfte. In der Fakultät, den Studien – und Berufungskommissionen, aber auch im akademischen Senat. Institutionelle Autorität und Macht zu hinterfragen ist deshalb so wichtig, weil nur dadurch das Funktionieren von Macht zu verstehen ist. So werden die Mechanismen transparent und dadurch auch verständlich gemacht.
Und damit sind wir schon beim Journalismus. Rudolf IV. musste keine Medien fürchten, die seine Fälschung entdeckt hätten. Er musste nur mit anderen Mächtigen rechnen, seinem Schwiegervater Karl IV. etwa, der Wissenschafter wie Francesco Petrarca einsetzte, um Rudolf auf die Schliche zu kommen.
In der Demokratie sind die Medien der „public watchdog“, sie dürfen nie Teil der Politik oder auch nur abhängig von ihr werden, sondern sie haben die Funktion, das Handeln der Regierungen zu kontrollieren, zu hinterfragen oder auch zu erklären. Politik versus Medien, das ist ein natürlicher Gegensatz, der der Demokratie gut tut, nein mehr noch: der für sie notwendig ist. Der aber autoritären Persönlichkeiten nicht ins Konzept passt, nicht zuletzt, weil sie oft nur über eine schwache Persönlichkeitsstruktur verfügen, die sie überspielen wollen.
Nun gab es schon immer Fake news, also Botschaften, die einfach erfunden oder erlogen waren. Das Internet und da wiederum vor allem die Social Media sorgen freilich für die noch viel schnellere und im Zweifel weltweite Verbreitung von Fake News oder zumindest ungeprüften Meldungen. Und da stehen wir auch erst am Anfang. Schon jetzt können sie etwa Reden von Politikern nehmen und ihnen irgendwelche Sätze in den Mund legen. Technisch ist das kein Problem, das kann lustig wirken, im schlimmsten Fall aber auch Krisen auslösen.
Manipulation wird immer zum Zweck des Machterhalts eingesetzt. Politiker wollen sich selbst gerne im besten und die anderen in trübem Licht darstellen. Bei Trump ist es schon epidemisch, im Durchschnitt verbreitet er 8 Mal am Tag Fake News, haben eifrige Statisten nachgerechnet. Diese Intensität ist seit Trump neu, vor allem aber, dass er ständig die Medien als Produzenten von fake News herunter macht. Ganz klar, es geht um Glaubwürdigkeit, und jemand wie Donald Trump weiß, dass er wenig glaubwürdig ist, also sollen die Medien als noch weniger glaubwürdig dargestellt werden.
Wenn alle im Schlamm catchen, sind am Ende alle schmutzig.
Genau das will Trump und das wollen seine Imitatoren. Und dann kommt noch etwas dazu. Unsere Demokratie lebt vom Vertrauen in staatliche Institutionen, auch vom Gewaltmonopol des Staates. Wer ständig die Fähigkeit der Polizei – oder eines Geheimdienstes - in Frage stellt, wird die Menschen auf die Idee bringen, dass sie so etwas wie eine Bürgerwehr brauchen, dass sie sich aufrüsten müssen. Wer Gerichte, sei es durch die Kritik an Urteilen oder durch die Auswahl von Richtern zu delegitimieren versucht – wie wir das in unterschiedlicher Form etwa in den USA oder in Polen erleben – kann auch leicht gegen Urteile polemisieren, die nicht zum angeblich gesunden Volksempfinden passen.
Auch die Wissenschaft wird zunehmend in Frage gestellt – Klimawandel? Den gibt es nicht. Wenn man aber die Glaubwürdigkeit von Medien – oder der Wissenschaft zerstört hat, dann hat man sie ihrer Funktion beraubt. Dann ist die Idee der Aufklärung pervertiert. Darum geht es Trump und anderen Politkern, die Fake News produzieren und genau das den Medien unterstellen. Der Ausgleich zwischen Macht und Kontrolle ist ebenso Grundlage der Demokratie wie der Rechtsstaat, sowie der Schutz von Minderheiten. Genau das wissen diejenigen, die die Demokratie zerstören oder eine illiberale, also eine nicht mehr funktionierende aus ihr machen wollen.
Zum Funktionieren gehört aber auch eine ordentliche Debattenkultur, die im Zeitalter der 140 Zeichen immer seltener wird. Auch hier ist leider Donald Trump führend, der am liebsten über Twitter kommuniziert, unreflektiert, oft beleidigend, keinen Widerspruch duldend. Leider ist er auch in dieser Form des Debattierens für viele ein Vorbild. Aber die Demokratie stirbt nicht nur in der Dunkelheit, wie der Slogan der Washington Post lautet, sondern sie stirbt auch an der Sprachlosigkeit.
Zum Schluss noch ein persönlicher Gedanke. Ich bin in den letzten Jahren als Chefredakteur des KURIER und als Herausgeber, der ich ja weiter bin, immer wieder darauf angesprochen worden, dass man schon mutig sein müsse, wenn man öffentlich, in der Zeitung oder Online so klar und oft auch kritisch zu politischen Fragen Stellung bezieht.
Nein, habe ich immer gesagt, mutig waren andere vor uns, die haben ihr Leben riskiert - Wir machen nur unseren Job.
Denn wenn es wirklich schon der Courage bedürfte, sich klar zu äußern, Skandale aufzuzeigen und Mächtige zu kritisieren, dann wären wir schon ein Stück in diese Richtung gerutscht, die weg führt von der offenen, liberalen Demokratie. Das ist ja hoffentlich noch nicht der Fall. Aber wachsam müssen wir sein, das glaube ich schon, um die Freiheit zu erhalten, die wir geschenkt bekommen haben.
Unsere Freiheit - Das ist unser „Privilegium maximus“, wenn sie mir das Wortspiel erlauben. Dafür gibt es weder eine Urkunde – eine gefälschte schon gar nicht - noch eine Garantie. Das „Privilegium maximus“ ist ein großer, ein täglicher Auftrag an uns alle.